Gleiche Fläche, mehr Raum
Ein übrig gebliebener Hausteil gestaltet sich großzügig
Im 19. Jahrhundert als Landhaus in Liesing gebaut, war das Haus nach einem Streit unter zwei Brüdern in zwei Hälften geteilt worden. Das Schicksal beider Hälfte könnte unterschiedlicher nicht sein: Eine wurde abgerissen, die andere sollte erhalten werden. Frei nach dem Motto „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ entstand aus der zu erhaltenden Haushälfte ein Familienheim, dessen Neugestaltung die Architekten von 24 Gramm entwickelten.
Mehr Licht und größere Räume waren die Grundgedanken bei der Neustrukturierung. Offen und durchlässig erscheint das Erdgeschoss, nicht zuletzt durch zusätzliche Wandöffnungen. Wie etwa der zwischen Esszimmer und Küche. Nicht nur verbindet der Durchbruch die beiden vormals getrennten Räume, er gibt dem Esszimmer einen indirekten Zugang zum Garten, auch wenn der Weg durch die Küche führt. Doch die ist ohnehin der zentrale Ort für die ganze Familie. Auch das Wohnzimmer hat durch Wandöffnungen gewonnen, nicht nur an Fläche, sondern auch an Wohnqualität. Eine ehemalige Veranda haben die Architekten hier in den Wohnraum integriert. Eine Veränderung, die durchaus im Raum sichtbar ist. Bewusst markieren Wandstummel die ehemalige Trennung, betonen sie fast. Ausgleichend und verbindend wirkt der einheitliche Bodenbelag dagegen, ein Holzboden, der gut zum Stil des Hauses passt. „Die Bauherren wünschten sich, den Altbaucharme zu erhalten und wiederherzustellen. Das Haus war teilweise recht grob saniert worden“, erinnert sich Architektin Judith Benzer. In den stärker beanspruchten Zonen wie in der Küche und im Eingang sind Terrazzo- und Zementfliesen verlegt worden, wie sie schon im 19. Jahrhundert verwendet wurden. Die originalen Böden waren leider nicht mehr erhalten und auch einige der Türen gab es nicht mehr. Doch hier waren die Bauherren selbst findig und haben aus der zum Abriss freigegebenen Haushälfte die alten Türen gerettet, aufgearbeitet und im erhaltenen Haus eingesetzt.
Einen gänzlich neuen Grundriss erhielt auch das Obergeschoss. Nicht nur zwei Kinderzimmer und ein Bad gibt es jetzt hier, sondern vor allem viel Licht. Jedes der neuen Zimmer hat ein Dachflächenfenster erhalten. Und das ehemals düstere Stiegenhaus wird jetzt über eine Lichtkuppel erhellt. Sie macht aus dieser funktionalen Zone einen angenehmen Aufenthaltsort, in dem die Kinder ihren Spielbereich haben – vorausgesetzt sie sind nicht im Garten, der das Haus noch immer umgibt, als wäre es ein altes Landhaus.
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(Erschienen in CUBE Wien 01|20)