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Couchtische sind langweilig

CUBE sprach mit Stefan Diez darüber, wie langwierig und komplex die Arbeit als Industriedesigner ist

CUBE: Sie haben zur imm Cologne in diesem Jahr den Stand des dänischen Stoffherstellers Kvadrat... mehr
CUBE: Sie haben zur imm Cologne in diesem Jahr den Stand des dänischen Stoffherstellers Kvadrat in der Design Post gestaltet. Was ist die besondere Herausforderung bei der Arbeit mit Textilien?

Stefan Diez: Wir sind kein Büro, welches viele Polstermöbel macht oder sonst oft mit Textilien arbeitet. Bei unserem Projekt für den spanischen Leuchtenhersteller Vibia haben wir bereits mit Stoff gearbeitet und hatten dabei Kontakt mit einer Textildesignerin. Dadurch hatten wir erste Anknüpfungspunkte an das Thema. Bei unserem Projekt für Kvadrat gab es eine schöne Assoziationskette. Bei der Installation, die sich über den Stand spannt, assoziiert man den Wind, der Schirme durcheinanderwirbelt. Wir haben auch versucht darzustellen, dass fast alle Designer und Architekten irgendwann mit Kvadrat zusammenarbeiten und das Unternehmen dabei vieles unter einen „Schirm“ bringt.

Ein anderes aktuelles Projekt im Kontext von Textilien ist Ihr neues Sofasystem für den italienischen Hersteller Magis. Warum haben Sie an diesem Projekt so lange – insgesamt vier Jahre – gearbeitet?

Der Magis Inhaber Eugenio Perazza kam mit einer schwierigen Fragestellung zu uns: Was würde passieren, wenn man das Herz des Sofas aus einem Spritzgussteil aus Kunststoff macht, wie würde sich das auf die Gesamtkonstruktion des Möbels auswirken? Wir wollten damit die herkömmliche Gestaltung von einem Sofa radikal auf den Kopf stellen. Dann haben wir angefangen, das ganze Thema auszuweiten. Wir haben uns gefragt, worauf es heutzutage ankommt? Wenn man wirklich den Nutzer ins Zentrum stellt, müsste man ein Sofa machen, das modular ist, dabei aus einem einzigen Element besteht. So kann man das Sofa auch beim Umzug weiter nutzen und muss es nicht wegschmeißen oder auf den Dachboden stellen. Wenn wir wollen, dass junge Familien sich mit italienischen Polstermöbeln beschäftigen, die wahrscheinlich teurer sind als skandinavische, dann muss man ihnen wenigstens das Versprechen geben, dass sich das auf Zeit rechnet.

Wie finden Sie überhaupt noch Firmen, die bereit sind, solch komplexe, langwierige und kostenintensive Projekte umzusetzen?

Es gibt nur noch wenige, die sich das trauen. Eugenio Perazza von Magis gehört dazu, ebenso Rolf Hay von Hay aus Dänemark. Mit dem Leuchtenhersteller Vibia aus Barcelona habe ich ebenfalls aufwendige Projekte umsetzen können, die aber viel kleiner sind und mit anderen Ressourcen auskommen müssen. Auch in unsere neue Leuchtenfamilie „Ayno“ für Midgard haben wir enorm viel Entwicklungsarbeit gesteckt.

Für Midgard, dem legendären Hersteller von Gelenkleuchten aus dem Bauhaus, ist die in Köln vorgestellte Leuchte Ayno die erste Neuentwicklung seit 70 Jahren. Was zeichnet das Produkt aus?

Wir haben uns bei der Arbeit für Midgard gefragt, ob man nicht einfach eine Leuchte machen kann, die ohne Gelenke auskommt. Was eine konventionelle Gelenkleuchte kompliziert macht, ist der Druck- und Zugausgleich. Wir haben das über einen flexiblen Fiberglasstab gelöst, der besonders dünn ist. Das ist inspiriert von Schilfrohren, die sich im Wind biegen. Außerdem haben wir die ganze Elektrik entkoppelt von der Statik. Der Nutzer kann, wenn etwas kaputt geht, die Elektrik abklemmen, in einen Schuhkarton stecken und wegschicken. Das Teil wiegt nicht viel und kostet wenig im Versand. Auf dem Postweg erhält man dann eine neue Elektronik. Die Ayno Leuchten kann man aufgrund der wenigen Komponenten und der nicht teuren Materialien wirklich günstig produzieren.

Wie sehen Sie generell den Zustand der Design Industrie? Vor einigen Jahren haben Sie in Ihrer Rede in der Paulskirche in Frankfurt anlässlich des Jubiläums 60 Jahre Designkultur in Deutschland der Branche vorgeworfen, sie halte an einem alten Luxusbegriff fest.

Was ich der Branche damals vorgeworfen habe, ist, dass sie kein wirkliches Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit Design hat. Stattdessen holen sich die Unternehmen Marketingagenturen ins Haus, die für sie die Arbeit machen. Eine solche Agentur ist immer ein kostspieliges Unterfangen mit sehr vielen Mitarbeitern, die den Firmen ganze Komponenten abnehmen, vom Messeauftritt bis hin zum Erscheinungsbild und der Kommunikation. Die Unternehmen werden damit auf eine Corporate Strategie verpflichtet. Jede Aussage nach außen darf sich immer nur innerhalb dieser Strategie bewegen. Wir können als Designer dann nicht mehr sagen, lass uns mal was ganz anderes machen. Die Industrie hat einfach den Dialog mit den kritischen Stimmen verloren.

In Italien beobachtet man seit einigen Jahren, dass viele traditionell als Familienunternehmen aufgestellte Herstellerfirmen von Großkonzernen und deren Investoren übernommen werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Das ist ein bisschen tragisch. In der Mode kann man Ähnliches beobachten. Bei den Modelabels steht noch Coco Chanel oder Jil Sander drauf. Dahinter stehen dann aber bereits Designer der zweiten und dritten Generation. Die Designer, die in diesem Mantel stecken, werden da nicht mehr rauskommen. Es fehlt heute ein Nullpunkt, eine Generation, die sagt: Vergesst die ganzen alten Marken und lasst uns was ganz Neues aufbauen.

Viele junge Designer gründen heute direkt nach dem Studium ein eigenes Label. Ist das der richtige Weg für sie?

Ich glaube, da ist viel Naivität am Start. Was mich wundert, ist, warum interessiert sich diese Generation nur für Beistelltische, Kleinmöbel oder Stühle? Das ist doch langweilig. Es gibt wirklich dringendere Probleme als die Beschäftigung mit Couchtischen. Wir machen auch Tische und Stühle in unserem Studio. Dafür benötigen wir aber eine Technologie, die noch nicht Standard geworden ist und die uns eine Firma zur Verfügung stellt. Dabei nur auf eine lokale Infrastruktur zurückzugreifen und ausschließlich mit Blechbiegern, Laserschneidern oder Tischlereien zu arbeiten, das ist für mich nicht wirklich spannend. Die ganze Idee der Industrialisierung beruht auf dem Prinzip der Skalierung. Ich kann mich als Designer mit einer Idee jahrelang beschäftigen, wenn dabei ein Produkt herauskommt, was ich für eine große Anzahl von Fällen anwenden kann. In meinem Studio sind sieben Personen beschäftigt, diese müssen bezahlt werden. Wenn wir tausende von Stunden an Projekten arbeiten, dann muss das am Ende des Tages auch finanziert werden. Deswegen brauchen wir Kunden, die auch Umsatz machen. Das unterschätzen viele Designer. Man kann heute selbstverständlich schnell Dinge relativ gut herstellen, etwa mit Rapid Prototyping. Damit kann man aber keine großen Stückzahlen produzieren.

Es gibt aktuell eine Vielzahl von gesellschaftlichen Problemen wie den Klimawandel, die Migration oder das soziale Auseinanderdriften. Geht man über die Möbelmesse hier in Köln, scheint das alles nicht zu existieren. Stimmt der Eindruck, dass das Design gegenwärtig nicht mehr oft als Problemlöser auftritt?

Wir versuchen, bei unserer Arbeit viele Dinge richtig zu machen und sind sehr kritisch. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Möbelbranche nicht das größte Problem in der Klimadiskussion darstellt. Sie ist ungefähr für zwei Prozent der CO₂ Emissionen verantwortlich. Wir produzieren aber im Gegensatz zu anderen Branchen Dinge, die wirklich besser dazu geeignet sind, viele dieser wichtigen Themen zu kommunizieren. Die Verantwortung geht deshalb auch in Richtung Kommunikation. Das ist wie beim Sammeln von Joghurtbechern. Man macht es, wohl wissend, dass man damit nicht die Welt retten kann. Aber es geht ums Prinzip. Wenn ich eine Lampe entwerfe, dann mache ich mir die Arbeit, aufzuzeigen, dass man auch andere Wege einschlagen kann. Die Haltung und der Anspruch dahinter – diese Dinge sind das Wichtigste.

Herr Diez, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Peter Steinhauer.

Zur Person

Stefan Diez studierte nach seiner Ausbildung zum Möbeltischler Industriedesign bei Richard Sapper an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Nach seiner Rückkehr nach München arbeitete er mit Konstantin Grcic und gründete 2002 sein eigenes Studio. Diez lehrte als Professor an der Hochschule für Kunst und Design Karlsruhe (HFG) und der Hochschule für Industriedesign Lund, Schweden. Seit 2018 ist er Leiter der Abteilung Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst in Wien. In seinem Studio in München arbeitet Diez mit seinem Team für internationale Kunden, darunter e15, Emu, Hay, Magis, Rosenthal, Thonet, Vibia, Wagner und Wilkhahn.

(Erschienen in CUBE SELECT 02|20)

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