Ein Alien in der Gartenstadt
Abriss und Neubau statt Erhalt und Umbau
Die Gartenstadt Trudering besteht fast ausschließlich aus bauklötzchenartigen Ein- und Zweifamilienhäusern; mit braven, spitz zulaufenden Satteldächern säumen sie die Straßen. Solange der Flughafen Riem noch existierte, war diese Wohnlage wegen des Fluglärms nicht so begehrt. Heute ist das anders. Inzwischen ist Trudering durchaus beliebt. Die Grundstücke, die nach dem Krieg hier bebaut wurden, sind für die aktuelle Münchner Wohnraumnot überaus großzügig bemessen. Jedes Haus verfügt über einen großen Garten, auf dem heute zwei Häuser stehen würden – nur der Abstand zu den Nachbarn ist etwas schmal. Doch ab und zu sieht man äußerst gelungene und ungewöhnlich gestaltete Neubauten inmitten des ehernen Quartiers.
Ein besonders progressives Haus entwarf der Architekt Stephan Rauch. Bauherr und Architekt bemühten sich in diesem Fall lange um den Erhalt des Bestandsgebäudes – und kamen dann zu dem Schluss, dass Abriss und Neubau vernünftiger und weniger teuer als ein Umbau wären. Das Ergebnis: Ein „Holzhaus“, das sich völlig von seinen Nachbarn unterscheidet. Allerdings mussten gewisse Bauauflagen befolgt werden, wie etwa die Dachform, auch Höhe und Breite des Bauwerks waren vorgeschrieben. Zunächst sollte der Neubau so weit wie möglich von der Straße weg liegen. Er steht jetzt genau da, wo sich der Altbestand befand. So ist der Garten optimal ausgenutzt, vor und hinter dem Haus bleibt genügend Platz zum Aufenthalt im Freien. Schnell einigte man sich auf das Baumaterial Holz – ein Material mit dem Stephan Rauch besonders gerne arbeitet: Er war Assistent beim renommierten Professor Hermann Kaufmann am Lehrstuhl Holzbau der TU München. Es entstand ein Holzbau ganz besonderer Art – ein Holzrahmenbau mit Massivholzwänden im Dachgeschoss. Von der Straße aus wirkt er trutzig und elegant zugleich, wohingegen die Seitenwände schmal und hoch sind und außer dem Hauseingang links keinerlei Öffnungen haben – quasi als Abschottung vor neugierigen Blicken. Das gesamte Gebäude ist ummantelt mit sägerauhen Nut- und Federbrettern. Die nach Südwesten ausgerichtete Vorderseite ist als Lochfassade ausgebildet und bringt mit ihren vier dominanten Fensteröffnungen viel Licht ins Innere. Drei winzige Fenster befinden sich links unten, sie gehören zum Essplatz der Kinder. Auch innen ist Holz das bevorzugte Baumaterial, wie etwa die freistehende Treppenskulptur. Im Keller sind Haustechnik, ein Lager und ein Gästebereich, der mittels Abgrabung und Tageslichtfenstern beste Wohnqualität hat. Das Erdgeschoss ist durch verschiedene Levels je nach Funktion – Küche, Ess- und Wohnbereich – zoniert. Darüber liegen ein Büro, das Elternschlafzimmer und das Bad. Unterm Dach finden die Kinder genug Platz zum Austoben, Spielen und Schlafen. Frischer Wind in Trudering!
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