Unerwartete Metamorphose
Ein Lost Place wird zu einem ländlichen Anwesen in der Landschaft
An dieser Stelle wurde vor über 300 Jahren erstmals eine Bockwindmühle urkundlich überliefert. Auch wenn von dieser nichts mehr übriggeblieben ist, haben sich der Name und auch ein hofartiger Komplex an einer Landstraße erhalten: Die Gerderather Mühle – etwas außerhalb des Ortskerns von Erkelenz-Gerderath gelegen – war nach langer Nutzung als Nachtclub und Bordell, jahrelangem Leerstand und schließlich auch noch einem schweren Dachstuhlbrand bis vor einigen Jahren ein aufgegebener Lost Place, einsturzgefährdet und mit Sperrmüll übersät. Zusammen mit dem engagierten Bauherrn konnten Ricardo Ferreira Architekten aus Meerbusch dem Gebäude durch Rück- und Umbau eine neue Perspektive als großzügiges Wohnhaus geben – mit einem Atrium im Zentrum und einem idyllischen Ausblick in die Feld- und Wiesenlandschaft der Erkelenzer Börde.
Das Anwesen, das im Außenbereich direkt an der Landstraße liegt, war bei Kauf nahezu vollständig zu einer Hofanlage geschlossen. Wie sich herausstellte, war der hintere Trakt des Ensembles vor Zeiten ohne Baugenehmigung hinzugefügt worden. Entsprechend wurde dieser komplett zurückgebaut. Die Kubatur der zu drei Seiten gelegenen Gebäudetrakte blieb dagegen unangetastet – lediglich in den Innenbereichen der Gebäude wurden einzelne Wände und Öffnungen entfernt oder neu eingeführt. Dadurch sollte das Gebäudeensemble eine zur Raumorganisation adäquate Nutzung erhalten. Um die Lärmbelästigung deutlich zu minimieren, die aus dem Verkehr auf der direkten benachbarten Landstraße resultierte, wurden straßenseitig, rechts und links des Entrées Nebenräume angeordnet – WCs, Hauswirtschafts- und Haustechnikräume. Dahinter erstreckt sich um das zentral angeordnete Atrium zur einen Seite der großzügige, teilweise tiefer gesetzte Wohn-, Koch- und Essbereich. Zur anderen Seite folgt auf Kinderzimmer – und ein von der Straße zusätzlich zugängliches Arbeitszimmer – der Elterntrakt mit Schlafzimmer, Ankleide und Bad Ensuite. Alle diese Räume öffnen sich über großzügige Fensterfronten zum teilweise transparent überdachten Hof – wobei der Wohnbereich zusätzlich zur gegenüberliegenden Front weiträumig geöffnet werden konnte, so dass sich weitere Durchsichten in die Weite der Landschaft ergeben. Während der Wohn- und Schlaftrakt eingeschossig und teilweise mit Oberlicht konzipiert ist, wurde die Straßenansicht des Gebäudes dem ursprünglichen Charakter entsprechend interpretiert: Der Dachstuhl wurde wiedererrichtet und als Walmdach konzipiert, die neu geordnete Straßenfassade mit einem Abbruchziegel gestaltet. Während das Haus von außen wie ein kleines ländliches Anwesen erscheint, wirkt es von innen offen, modern und reduziert, wobei warme Holz- und raue Ziegeloberflächen mit dunklen Farbtönen spannungsvoll kombiniert wurden.
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Fotos:
Julia Vogel
www.julia-vogel.com
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 03|23)
Architektur:
Ferreira | Verfürth
Architektur und Design Studio
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Generalunternehmer:
Andreas Putek
Telefon: 02431-97239220