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Quo vadis, Hombroich?

Frank Boehm, Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, über alte Ideen und zukünftige Projekte

Herr Boehm, Sie haben lange in Mailand gelebt, als Architekt und Kurator gearbeitet und haben... mehr

Herr Boehm, Sie haben lange in Mailand gelebt, als Architekt und Kurator gearbeitet und haben auch international geforscht und doziert. Sind Sie nach Hombroich zum Entschleunigen gekommen?
Boehm: Die Entschleunigung ist natürlich wichtig auf Hombroich – aber doch ist das letztlich nur ein Aspekt. Wir sind ja nicht entrückt von der Zivilisation, sondern in der Peripherie des urbanen Metropolraums angesiedelt – draußen, zugleich aber auch ganz drinnen. Und vor diesem Hintergrund sind wir auch ein intellektuelles Projekt: Wie die Villa in der Architekturgeschichte kann auch das Museum Insel Hombroich nur im Kontext der Stadt gedacht werden. Ein reines, unberührtes Arkadien sind wir definitiv nicht. Die heute idyllisch wirkende Landschaft von Hombroich war über Jahrhunderte eine landwirtschaftlich, gärtnerisch und teilweise ja auch militärisch geformte Kulturlandschaft, die sich renaturiert hat und schließlich landschaftsarchitektonisch gestaltet wurde.

Wo sehen Sie zukünftig die Herausforderungen für die Insel?
Hombroich ist ein Ort, der sehr unterschiedliche Aspekte in sich vereint. Da sind die Künstler, die auf Hombroich arbeiten; da sind aber auch Kunst- und Bauwerke, die von Künstlern und Architekten geschaffen wurden. Und es gibt natürlich auch ganz unterschiedliche Besuchergruppen. Zum allergrößten Teil kommen sie aus dem weiteren regionalen Einzugsgebiet – aber eben auch nicht ausschließlich: Wir sind auch ein wichtiger Ort in der Geschichte der Museen und der Architektur, der von einem weltweiten Fachpublikum frequentiert wird. Selbst aus der Ferne werden wir noch bewusst wahrgenommen. 

Geht es also primär um Erhalt und Bestandspflege? Oder benötigt die Insel angesichts einer fortschreitenden Kunstproduktion und auch veränderter kuratorischer Konzepte nicht eigentlich neue Impulse?
Der Erhalt der Ausstellungsräume und der Kunstwerke ist heute sicher die Kernaufgabe. Hombroich ist aber auch kein Park der vielen Wechselausstellungen, sondern ein über die Jahrzehnte gewachsenes Gesamtwerk, das Anknüpfungspunkte für die weitere Arbeit vorgibt. Auch neue Fragestellungen lassen sich da sicher ergänzen – allerdings müssen wir immer auch mit dem arbeiten, was wir schon haben. Neue emblematische Bauten, wie es sie jedes Jahr in der Londoner Serpentine Gallery gibt – übrigens eine Institution, die durchaus einige Parallelen zu Hombroich hat – sind derzeit nicht praktikabel, auch wenn wir die Idee durchaus weiterverfolgen. Die Sanierung des Bestandes – dieses Jahr wurden zwei, nächstes Jahr werden zwei weitere Gebäude saniert – nimmt uns finanziell derzeit sehr in Anspruch. Auch müssen wir uns über die zukünftige Nutzung von Bauten verständigen.

Ein großer, aber bis heute völlig ungenutzter Bau ist das Haus für Musiker von Raymund Abraham, das zwar äußerlich mittlerweile fertiggestellt, aber immer noch ohne Innenausbau ist. Wie geht es da weiter?
Kurzfristig wollen wir für das Haus einen Minimalausbau herstellen, damit wir es für Veranstaltungen nutzen können. Im Sommer 2016 zeigen wir dort eine zeitgenössische Filmarbeit des italienischen Künstlers Yuri Ancarani. Längerfristig versuchen wir mit Hilfe von Partnern weitere Schritte zu machen, um die vier, in der Gebäudestruktur angelegten Studios auszubauen.

Sie entscheiden nicht ganz allein über Hombroich, sondern sind auch eingebunden in die Strukturen von Stiftungsvorstand und Kuratorium. Mit ihrer Vorgängerin kam es da zu Kompetenzstreitigkeiten – hat man zwischenzeitlich die Spielräume etwas klarer definiert?
Formal ist die Rolle gleich definiert, was auch bedeutet, dass ich als künstlerischer Leiter Ideen definieren und entwickeln soll. Das heißt allerdings nicht, dass ich – wie in anderen Museen gang und gäbe – ein Ausstellungsprogramm vorgebe. Allein die Anzahl der Projekte ist ja bei uns noch nicht einmal genau festgelegt.

Nach der Eduard Souto de Moura-Ausstellung haben Sie relativ schnell anschließend Thomas Demand gezeigt. Werden Sie den Rhythmus der Veranstaltungen in Zukunft so verstetigen?
Ich möchte tatsächlich mehr Projekte machen, wobei die Souto de Moura-Ausstellung schon in der Pipeline waren, bevor ich dazu kam. Für Frühjahr 2016 planen wir eine Ausstellung mit keramischen Arbeiten von Markus Karstieß, dessen ganze künstlerische Arbeit von einem Initiationserlebnis auf der Raketenstation selbst geprägt ist. Da wir ein kleines Team sind, bedeuten solcherlei Projekte aber auch viel Arbeitsaufwand für uns. Insofern müssen wir den Veranstaltungstakt erst einmal genau austesten. Ob es immer auch der große Siza-Bau ist, der bespielt wird, bleibt dabei abzuwarten. Wir haben bei unseren vielen Bauten – 43 an der Zahl – natürlich auch noch einige andere Möglichkeiten.

Im Siza-Bau haben Sie sich in den letzten Jahren auch ausstellungsthematisch verstärkt der Architektur zugewandt, wobei es mit der Siza- und Souto de Moura-Schau um Ausstellungen ging, die mit dem Ort gewiss verbandelt sind. Werden Sie das thematisch weiter ausbauen?
Wir sind sicher nicht das Deutsche Architekturmuseum, das die ganze Breite von Architektur abdeckt. Herr Müller hat – ohne dass ihm die Nutzung vorab immer ganz klar war – skulpturale Architekturen gesammelt. Dabei ging es ihm immer auch um Beziehungen: Die Beauftragung zu einem Bau hat er sehr von der persönlichen Begegnung und den Gesprächen mit dem Künstler und Architekten abhängig gemacht. Diese Begegnungen haben wieder andere Begegnungen nach sich gezogen, sodass sich ein bestimmter ideeller Zusammenhang durch Hombroich zieht. Aber damit ist auch nicht eine genaue Linie festgeschrieben: Zwischen einem Siza und einem Abraham liegen auf Hombroich nur wenige hundert Meter, konzeptionell liegen dazwischen aber Welten.

Hombroich ist ja auch nicht nur eine Museumsinsel, sondern auch ein Ort der Kunstproduktion. Der Stiftungsgründer Karl-Heinrich Müller hat einer Reihe von Künstlern ihr Atelier auf Lebenszeit hier zugesichert. Wie kann das in Zukunft weiterentwickelt werden?
Nachdem Erwin Heerich, Gerhard Graubner und Thomas Kling verstorben sind, sind es heute noch acht Künstler, die wir mit ihren Ateliers auf Lebenszeit beherbergen. Seit dem Tod von Karl-Heinrich Müller 2007 ist niemand mehr dazugekommen. Nur ein Privatmann kann einem Künstler dieses Recht einräumen, nicht aber eine öffentliche Stiftung. Wir denken darüber nach, wie das bestehende Gastkünstlerprogramm weiterentwickelt werden kann, um einerseits Künstler an bestimmten stiftungsrelevanten Themen arbeiten zu lassen, oder ihnen einfach auch nur den künstlerischen Gastaufenthalt an diesem einzigartigen Ort zu ermöglichen.

Zwischen Kunstproduktion und Museumsbesuchern das richtige Verhältnis zu finden, ist ja durchaus eine Gratwanderung. Kann beides in Hombroich produktiv zusammenfinden?
Es gibt Künstler, die suchen hier die Abgeschiedenheit, es gibt aber auch andere, die gerne ihre Türen öffnen und zeigen, woran sie gerade arbeiten. Natürlich kann man nicht jedem, der gerade mal auf den Sprung vorbeikommt, die Tür aufmachen, man möchte ja auch zum Arbeiten kommen. Aber wenn Leute ihr ernsthaftes Interesse bekunden, dann werden ihnen sich sicher auch die Ateliers öffnen – die offene Raumsituation der Raketenstation befördert diese Form der Begegnung ja auch.

Für großes weltweites Aufsehen hat 2002 die Vorstellung des raumortlabors auf der Architekturbiennale in Venedig gesorgt – einer um die Raketenstation angesiedelten Community, die künstlerische Ideen mit Gedanken der Subsistenzwirtschaft und Suffizienz verbindet. Mit der Realisierung tat man sich allerdings bisher sehr schwer. Ist das Projekt damit ad acta gelegt?
Ich möchte zumindest die Idee gerne im Kopf behalten; bestimmte Aspekte des Projektes sind einfach sensationell. Wenn dieses räumlich-soziale, landschaftlich wie künstlerische Experiment gelänge, hätte es garantiert eine weltweite Wirkung. Allerdings sind die Rahmenbedingungen derzeit einfach nicht so, dass sich dieser Plan wirklich realisieren lassen könnte, dafür hängt das Projekt zu sehr von Politik, Geldmitteln und so weiter ab. Herr Müller hat ja sehr künstlerorientiert agiert, indem er einzelne Künstler und Architekten eingeladen hat, jeweils für ein Grundstück ein Projekt zu entwerfen. Einen übergeordneten Städtebau gab es dafür nicht.

Bräuchte das Projekt nicht deshalb auch ein Update?
Ganz sicher, aber wir arbeiten hier an so vielen Updates.

Herr Boehm, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Paul Andreas.

Frank Boehm Geboren 1967, ist seit Oktober 2014 Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich.... mehr

Frank Boehm

Geboren 1967, ist seit Oktober 2014 Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich. Er studierte Architektur an der RWTH Aachen, der Kunstakademie Budapest sowie an der Hochschule der Künste in Berlin. In Köln arbeitete er für das Büro Professor Peter Kulka und in Wien bei Professor Adolf Krischanitz.

Im Jahr 2000 gründete Boehm das studioboehm in Mailand und realisierte Architekturprojekte und Ausstellungen. Ab 2006 war er Berater für die „Deutsche Bank Collection Italy” und 2012 Direktor der MiArt – Messe für moderne und zeitgenössische Kunst in Mailand. Boehm übernahm seit 1993 immer wieder Lehraufträge in Wien, Neapel, Eindhoven und Mailand. Von 2004 bis 2009 hatte er eine Professur für „Museum Curating and Exhibition Design“ an der Fakultät für Kunst und Design der Università luav di Venezia inne.

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