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EIn Projekt voller Licht

Santiago Calatrava im Gespräch über den Düsseldorfer „Calatrava-Boulevard“ und seine Haltung als Architekt und Künstler

EIn Projekt voller Licht
Calatrava-Boulevard, Düsseldorf
EIn Projekt voller Licht
Innenansicht Calatrava-Boulevard
CUBE: Grüezi nach Zürich, Herr Calatrava! Seit Beginn Ihrer Karriere entwerfen Sie als Architekt... mehr
CUBE: Grüezi nach Zürich, Herr Calatrava! Seit Beginn Ihrer Karriere entwerfen Sie als Architekt nicht nur Bauwerke, sondern Sie treten auch durch Skulpturen und Zeichnungen als Künstler in die Öffentlichkeit. Wie beeinflusst das eine das andere – oder sind Plastik und Architektur am Ende sogar eins bei Ihnen?

Santiago Calatrava: Schon als ich mein Studium begonnen habe, habe ich Architektur als eine Kunst erfasst. Persönlich habe ich schon seit meiner Kindheit immer gezeichnet und war einige Zeit lang in einer Kunstschule. Mein ganzes Leben hatte ich mein kleines Atelier – mein „L’Atelier de la recherche patiente“, wie der Architekt Le Corbusier es nannte. Dort sind einfach Formen entstanden, Zeichnungen und Studien über die Natur, die Tier- und Pflanzenwelt, aber auch den Menschen und seine Natur. Wenn ich zurückblicke, sehe ich eine Symbiose von Tätigkeiten, die sich gegenseitig komplementieren und bereichern. 

Sie haben nach dem Architekturstudium in Valencia auch noch Bauingenieurwesen an der ETH Zürich studiert. War die Architektur allein nicht genug?

Während meines Architekturstudiums habe ich mir viele Bauwerke angesehen, vor allem die gotischen Kathedralen, aber auch die Brücken des 19. Jahrhunderts. Diese Dinge haben mich nicht nur interessiert, sondern ich habe sie als echte Kunstwerke empfunden. Ich sagte mir in aller Bescheidenheit: „Du verstehst nur einen Teil von dem. Du kannst nicht nachvollziehen, warum diese Bauwerke so sind, wie sie sind.“ Ich musste mehr über Konstruktion, über Materialien, über die Technik und die Wissenschaft lernen. Und so bin ich zum Ingenieurwesen an die ETH Zürich gekommen. Als ich hierherkam, konnte ich zwar Französisch und Englisch, aber ich konnte kaum Deutsch. Ich habe das Studium absolviert und habe dann noch ein Nachdiplomstudium in Urbanistik angeschlossen. Schließlich habe ich meine Doktorarbeit geschrieben.

Kunst, Architektur, Ingenieurwesen, Städtebau – das klingt nach großem universellem Wissensdurst. Am Ende haben Sie aber doch über die spezifische Problematik von Faltwerken promoviert.

Tatsächlich habe ich mich mehr und mehr für ein mechanisch-mathematisches Thema begeistert. Ich habe die Doktorarbeit zwar an der Architekturabteilung der ETH geschrieben, aber eigentlich ging es um Topologie und Geometrie – also dreidimensionale Formen, die sich verändern und einen Körper formen können. Das hat mich sehr begeistert. Lassen Sie mich dabei aber noch eines hinzufügen: Ich war wirklich sehr privilegiert und bin den Universitäten, Hochschulen und Professoren unendlich dankbar, dass ich fast fünfzehn Jahre nur Student sein konnte. Diese Zeit als Student prägt auch heute noch mein Leben.

Hätten Sie denn damals gedacht, dass Sie dieses Thema von veränderlichen Strukturen ein Leben lang beschäftigen wird?

Warum habe ich auch früher immer gezeichnet? Für meine Doktorarbeit habe ich ein Bild in einem Buch von Walt Disney gefunden. Das Buch heißt: „The living Desert“, also übersetzt „Die lebendige Wüste“ oder auch „Die Wüste lebt“. Im Hintergrund sehen Sie den Himmel – wenn er dunkel wird, öffnet sich der Kaktus und wird in der Nacht zu einer wunderschönen Blume. Ich habe darunter geschrieben: „Natura, Mater e Magistra“, also „Natur, Mutter und Lehrerin“. Das ist interessant, weil mich das mein ganzes Leben lang begleitet hat. Ich habe also immer viel aus der Natur geschöpft, sie war die Grundlage meiner Arbeit. Das Mathematische oder Mechanische hat mich fasziniert, denn wie Albert Einstein sagt: „Gott würfelt nicht.“ Ich glaube, die Welt ist nach Prinzipien gebaut, wie mathematische oder mechanische Prinzipien. Und diese nachzuvollziehen, und dass Bauten konsequent mit diesen sind, das ist bis heute noch meine Inspiration und die Quelle meiner Freude, die ich in meinem Beruf finde. 

Es gibt Bauten, da hat man den Eindruck, dass eine Bewegung geradezu momentan eingefroren ist. Was für eine Bedeutung hat die Dynamik für Ihre Architektur?

Als Bauingenieur lernen Sie ganz zu Beginn, dass Kraft das Produkt von Masse mal Beschleunigung ist. Bereits in der Statik wird also die Dynamik eingebracht. Dynamik bedeutet, dass alles in der Natur sich stetig verändert. Die Sonne und Sterne bewegen sich, sogar die Berge bewegen sich über die Jahrhunderte langsam, obwohl sie so stabil und massiv sind. Wir leben in einer sich verändernden Welt. Und auch wir verändern uns immer weiter. Nicht nur, weil wir natürlich altern, sondern die Bewegung uns quasi in die Wiege gelegt ist. Wir öffnen morgens unsere Augen, öffnen unsere Lippen, wir gestikulieren mit unseren Händen. Für uns als Menschen ist die Bewegung etwas Essenzielles. Sie erfahren Architektur nicht als eine statische Gegebenheit, sondern Sie können sich rundum bewegen, genauso wie sich auch die Sonne und ihre Schatten den Tag über bewegen. Die Dynamik ist also bereits in der Art, wie wir Architektur erleben, impliziert.

Ein Projekt, wo dieses Zusammenspiel eine große Rolle spielen wird, ist der sogenannte „Cala-trava-Boulevard“, den Sie aktuell für die Rheinmetropole Düsseldorf planen. Ein Luxus-Shopping-Erlebnis an der Düsseldorfer Kö - was hat Sie daran so fasziniert?

Ich habe in meinem 40 Jahren als Architekt vor allem für die Öffentlichkeit gebaut – seien es Bahnhöfe, Museen oder Brücken. Ich hatte daher eher immer mit öffentlichen Bauherren zu tun, wobei ich viele Aufträge durch Wettbewerbe gewonnen habe. Das Projekt in Düsseldorf ist von einem privaten Bauherrn (Anm. d. Red.: beim Bauherrn handelt es sich um die Düsseldorfer Centrum-Gruppe) in einer sehr schönen Stadt. Sie haben es ein Luxus-Erlebnis genannt. Ich möchte unterstreichen, dass Luxus von „Lux“ kommt, was im Lateinischen „Licht“ bedeutet – und was ist die Architektur, wenn nicht das Zusammenspiel von Licht und Raum? Das Licht macht die Architektur gewissermaßen schwerelos. Hinzu kommt: Auch der Boulevard ist öffentlich. Jeder wird ihn von mehreren Seiten aus betreten und dort verweilen können. Es wird ein Projekt voller Licht – das Wort Luxus passt also sehr gut, und hat eine Berufung: Es ist ein städtebauliches Projekt.

Gerade, weil es auch ein städtebauliches Projekt ist, treten die skulpturalen Eigenschaften des Gebäudes, wie man sie sonst von Ihren Gebäuden kennt, etwas zurück.

Es gibt drei Momente, die für mich sehr wichtig sind. Der erste ist für mich das Projekt, betrachtet von der Kö, denn die ist für mich wie der Canal Grande in Venedig, ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt. Außerdem gibt es einige städtebauliche Reparaturarbeiten am Ende der Königsstraße am Martin-Luther-Platz, insbesondere zum Justizministerium. Dort hat man seit der Nachkriegszeit nichts mehr verändert, es ist einfach eine undefinierte Zone. Indem wir den Blockrand schließen, lassen wir die Gebäude des Ministeriums und der Johanneskirche als zwei architektonische Juwelen hervortreten. Bei dem Boulevard spielt das Plastische eine wichtige Rolle: Man hat diese Vertikale, die sich bis zum Dach fortsetzt, und vom Tageslicht erfüllte, große dynamische Bögen bildet. Im Inneren wird es Bäume geben, so wie sie auch an der Kö, an Königs– und Steinstraße zu finden sind. Das wird einen einzigartigen, ästhetischen Raum kreieren, der die Sprache des einundzwanzigsten Jahrhunderts wiederspiegelt.

Auch in Düsseldorf ist ein bewegliches Element geplant – wie werden Sie die Öffnung des Glasdaches im Boulevard umsetzen?

Wenn Sie innerstädtisch bauen, gibt es ganz präzise Bestimmungen, die vorgeben, wann genau ein Innenraum als Außenraum betrachtet werden kann. Dafür müssen Sie das Dach um etwa die Hälfte der darunterliegenden Fläche öffnen können. Das konnten wir mit entsprechenden Klappen umsetzen, die sich im Frühjahr/Sommer öffnen und schließen lassen. In New York City habe ich vor einigen Jahren die Subway Station am früheren Ground Zero entworfen: Wir haben das Gebäude getrennt, damit die Morgensonne genau in der Mitte der Halle einfällt und einen Streifen Licht am Boden bietet. Am 11. September um 10:28 Uhr überquert dieser Streifen genau die Mitte der Halle. Das ist der Moment, an dem 2001 der zweite World Trade Center-Turm kollabierte. Wir haben hier also aus der Notwendigkeit, ein Dach zu konstruieren, etwas Gestalterisches gemacht. Das ist eine Tugend für mich: Das Gebäude und die Idee dahinter bekommen eine übergeordnete Bedeutung. Genau das versuchen wir mit jedem Projekt zu erschaffen!

Herr Calatrava, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Paul Andreas.


Fotos:

Alan Karchmer
www.alankarchmer.com
Thomas Hoeffgen
www.thomashoeffgen.com
Santiago Calatrava LLC

(Erschienen in CUBE Düsseldorf 01|23)

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