Atmosphäre!
Gil Bronner über den neuen Standort seiner Kunstsammlung Philara und andere Leidenschaftsprojekte
CUBE: Herr Bronner, seit Ende Juni sind Sie mit Ihrer Kunstsammlung aus dem spätindustriellen Reisholz in das belebtere Flingern gezogen. Was hat den Ausschlag zu diesem Ortswechsel gegeben?
Gil Bronner: Sie werden es kaum glauben – aber zunächst waren es die Brombeersträucher, an denen wir uns hier gerade so reich bedienen! Vor einigen Jahren habe ich das gesamte Areal der Glasfabrik Lennarz erworben, inklusive dieses kleinen Bahndamm-Idylls, das mir besonders zusagte. (lacht) Wir haben den Bestand dann peu à peu umgenutzt und umgebaut, möglichst mit Erhalt der Mieterstruktur. Neben dem Bund Bildender Künstler (BBK) und der Filmwerkstatt ist hier seit kurzem nun auch die Wim Wenders-Stiftung angesiedelt. Am Ende blieb dann noch die große Halle übrig – die habe ich dann meiner Kunstsammlung gewidmet, weil dieser Standort für mich von Zuhause aus, aber auch für Besucher deutlich besser erreichbar ist als das Atelierhaus in Reisholz. Flingern hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Kulturviertel entwickelt.
Sie sind ja etwas versteckt im Hinterhof, zwischen asiatischer Imbissbude und kleiner Galerie. Steckt da auch ein bisschen Understatement dahinter?
Die Lokalität erklärt sich allein aus dem Kontext. Wenn ich die Sammlung stärker im Stadtraum hätte exponieren wollen, hätte ich die Wohnvorderhäuser abreißen lassen müssen – das wollte ich natürlich keinesfalls. Auch die Halle wurde in ihrer Kubatur komplett erhalten – der Architekt Jaochim Sieber, der den Umbau vorgenommen hat, ist sehr von der vorgefundenen Situation ausgegangen. Lediglich baufällige Bereiche wurden erneuert und die Halle, da wo es notwendig erschien, ertüchtigt. Bei der Neuorganisation der Räumlichkeiten haben wir darauf geachtet, dass wir am Ende genügend Räume in allen Größen für die Kunst erhalten und auch einen privaten Bereich, von dem aus eine Dachterrasse mit Skulpturengarten zugänglich wird. Im Haus können auch mal eingeladene Gastkünstler untergebracht werden.
Wenn man durch das Gebäude läuft, bekommt man nicht den Eindruck in einem White Cube zu stehen. Sie haben einige Nutzungsspuren der Architektur konserviert, der Transformationsprozess sollte sichtbar sein – bis hin zu einer neuen Leuchtreklame, die wie eine Remineszenz an die alte Adresse erscheint.
Wir wollten den Präsentationsraum weder überästhetisieren noch sollte er übermusealisiert werden, so wie man es oft in den Museen erlebt, die im Ruhrgebiet in Industrierelikten untergekommen sind. Diese Form von Inszenierung finde ich für die Kunst eher störend. Insofern haben wir die Halle auch nahezu komplett kernsaniert und so ergänzt, dass eine gewisse, sagen wir Rohbauästhetik vorherrscht. Gleichzeitig war es uns sehr wichtig, dass die Räume vor allem den Kunstobjekten gerecht werden, also etwa genügend Raumhöhe und auch ideales Licht bieten.
Ihre Sammlung, die mittlerweile gut 1.500 Objekte zählt, können Sie auch am neuen Standort nur in einer kleinen Auswahl präsentieren. Werden Sie in regelmäßigen Abständen die Präsentation verändern?
So eine Installation wie etwa die von Tomás Saraceno abzubauen, wäre schon ein großes Unterfangen! Es wird neben den Wechselausstellungen auch regelmäßig Änderungen an der Präsentation geben, aber vor allem mit den Objekten, bei denen sich das ohne großen Aufwand realisieren lässt. Viele Objekte müssen aber wohl auch weiterhin in den Depots bleiben.
Auch das Souterrain beheimatet ja eine Arbeit, die kaum so leicht abzubauen wird: „Artichoke Underground“ von Jonah Freeman und Justin Lowe erzählt die fiktive Geschichte eines Undergroundmagazins und eines unterkühlten Undergroundlabors für bewusstseinserweiternde Pflanzenexperimente. Was hat Sie an dieser raumgreifenden aber auch sehr skurrilen Arbeit gereizt?
Ich habe die Arbeit auf der Art Basel vor drei Jahren gesehen und war sehr begeistert. Sie ist einfach unglaublich detailliert, komplex verwoben und erzeugt in ihrer Aneinanderreihung von Raumatmosphären eine irre Spannung! Zu den ursprünglich acht Räumen haben die Künstler übrigens noch einen Raum hinzugefügt, als sie die Arbeit hier bei uns im Untergeschoss installiert haben.
Was zeichnet einen guten Präsentationsort für zeitgenössische Kunst Ihrer Ansicht nach aus?
Atmosphäre! Denn erst die führt dazu, dass die Besucher regelmäßig wiederkommen. Ein wichtiger Faktor ist daher auch eine gute Gastronomie – deshalb werden wir auch demnächst ein Café haben, benannt nach der Location, wie man sie heute noch überall in den Stadtplänen findet – Glas Lennarz.
Sie vertrauen beim Sammeln stark auf Ihre eigene Anschauung und sammeln weniger gezielt nach bestimmten Themen, spezifischen Gattungen oder Positionen. Wann meldet sich Ihr Sammlerinstinkt?
Wenn mir etwas begegnet, das mich über mehrere Tage gedanklich beschäftigt, dann ist das eine gute Voraussetzung. Nicht unwichtig, aber auch nicht allein ausschlaggebend, ist mir der Kontakt mit dem Künstler. – Leider kann man nicht alles kaufen, was einen fasziniert!
Über Düsseldorf als Kulturstadt wird derzeit in der Stadt viel diskutiert. Wie fühlen Sie sich als Kunstsammler in der Stadt aufgehoben?
Düsseldorf hat eine Reihe von spannenden Ausstellungshäusern und die weltweit renommierte Kunstakademie. Und wenn man sich dann weiter in die Metropolregion hinein bewegt, dann wird einem schnell klar, dass es so schnell keine zweite Region weltweit gibt, in der so eine dichte Museums- und Kunstlandschaft gedeiht. Das Problem ist nur: Sowas wird gerade im Ausland nur unzureichend wahrgenommen. Warum können diese Institutionen nicht zusammen etwa eine gemeinsame Ausstellungsannonce im Artforum in den USA platzieren? Das wäre für die Außenwirkung gut und würde gewiss auch Besucher generieren.
Hat eigentlich Ihr Interesse an zeitgenössischer Kunst dazu geführt, dass Sie sich auch als Immobilienentwickler überwiegend auf Projekte mit kulturellen und sozialen Nutzungen verlegt haben?
Das hat schon etwas miteinander zu tun – mit kreativen Menschen zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen, ist einfach spannend! Insofern gibt es seit den Atelierhausprojekten, die wir in Reisholz, aber auch in Köln umgesetzt haben, einen ausgeprägten kulturellen Schwerpunkt. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch hin und wieder mit Wohn- oder Büroprojekten.
Wann wird ein Objekt für Sie interessant?
Das ist für mich als Ökonom und Unternehmer keine Frage: Die Rendite sollte einfach stimmen! Wenn es dann noch einen kreativen Aspekt hat, umso besser.
Vor Jahren wollten Sie einmal das alte Capitol am Worringer Platz erwerben – Sie meinten, ein Theater würde in Ihrem Portfolio noch fehlen. Wahrscheinlich gibt es nicht gerade viele Entwickler, die diesen Wunsch hegen…
Das Capitol ist als ehemaliges Theater und Lichtspieltheater einfach ein faszinierendes Gebäude! Aber der Preis, den die Eigentümer verlangten, erschien mir zu hoch – vielleicht zum Glück, denn das Risiko daran zu scheitern, war es auch. Meine Idee dahinter war aber auch noch eine andere: Zusammen mit dem neuen Capitol, dem benachbarten Tanzhaus, dem Central des Schauspielhauses als weiterer Spielstätte auf dem ehemaligen Post-Areal hätte man einen attraktiven Theaterdistrikt entwickeln können mit starker städtebaulicher Sogwirkung. Damit hätte sich auch für den Worringer Platz, in dessen Gestaltung die Stadt bereits viele Millionen mit sehr geringem Erfolg versenkt hat, eine ganz neue, nachhaltigere Perspektive aufgetan.
Düsseldorf erlebt in den letzten Jahren einen Stadtumbau der City im großen Maßstab – vernachlässigt die Stadt dabei die Nischen?
Auch wenn ich dafür war, den Tausendfüßler zu erhalten, muss ich sagen, dass mir der Kö-Bogen mittlerweile gefällt und sicher eine Erfolgsgeschichte für die Stadt ist. Die Stadt sollte noch mehr ihrer Bauvorhaben an externe Entwickler und Unternehmer geben – allein um die Projekte im Zeit- und Kostenrahmen zu halten. Um ein erlebnisnahes Beispiel zu geben: Für den Umbau des Dachgeschosses des Hochbunkers zum Musikprobensaal in Lierenfeld haben wir zehn Monate gebraucht – die Bauabteilung der Stadt brauchte anschließend allein für die Installation der Probebühnenbeleuchtung drei Monate!
Herr Bronner, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Paul Andreas.
Gil A. Bronner
Geboren 1962 in Düsseldorf. Studium der Betriebswirtschaft in Köln mit Auslandsaufenthalten in den USA, Kanada und Japan. Aktiv als Immobilienentwickler mit Schwerpunkten im kulturellen Bereich.
Seit den frühen 1990er-Jahren sammelt Gil Bronner zeitgenössische Gegenwartskunst, vornehmlich aus Deutschland, aber auch international. Seine Sammlung Philara war lange in der ehemaligen Leitz-Halle in Reisholz zu sehen – seit Ende Juni dieses Jahres ist sie am neuen Standort in der Birkenstraße 47 in Flingern öffentlich und auch mit Führungen zugänglich. Regelmäßig werden dort auch Wechselausstellungen organisiert. Bronner betreibt auch die Bronner Residency, ein Austauschprogramm für Künstler aus Deutschland und Israel.
www.philara.de