Auf gute Nachbarschaft
Gemeinschaftlich, individuell, energieeffizient: Baugruppenhäuser in Kreuzberg
Der Bergmannkiez in Kreuzberg gehört zu den beliebtesten Wohnlagen in Berlin. Am Rande dieses von Gründerzeitbauten geprägten Viertels, zwischen Schwiebusser Straße, Friesenstraße und Columbiadamm, ist eines der größten Baugruppenprojekte der Hauptstadt entstanden: das Stadtquartier Friesenstraße mit neun Baugemeinschaften, einer Genossenschaft, zwei Bauträgerprojekten und rund 230 Wohnungen.
Initiiert und geplant wurde das Quartier von der SQF Projektentwicklungsgesellschaft (SQF.Plan Berlin, UTB und basc.et GmbH und Blaufisch Architekten). Diese setzte sich 2009 in einer Ausschreibung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben durch und erwarb das Grundstück, das zuletzt vom Kleingewerbe genutzt worden war. Nur dreieinhalb Jahre nach der Ausschreibung konnten die letzten Wohnungen bezogen werden. Dass die Baugruppenmitglieder sich tatsächlich dem Gemeinschaftsgedanken verpflichtet fühlen, zeigt das von Blaufisch Architekten geplante Haus der Baugruppe THF in der Schwiebusser Straße 42-44. Es verfügt nämlich über einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, der sich für Veranstaltungen nutzen lässt. Bemerkenswert ist auch der Park im großzügigen Innenhof: Er steht allen Quartiersbewohnern offen – abgezäunte Gärten gibt es nicht. Diese Gemeinschaftslösung war rechtlich gar nicht einfach umzusetzen, erklärt Margit Renatus von Blaufisch Architekten: „Wir mussten diese Idee über nachbarrechtliche Verträge und eine Grundstücksabtretung der einzelnen Baugruppen verankern.“
Im Inneren setzten Blaufisch Architekten auf hohe Flexibilität. Kreuzweise gespannte Stahlbetondecken und drei aussteifende Treppenhäuser erlauben es, dass die jeweils zwei Wohnungen pro Etage ohne tragende Wände auskommen. Dadurch entstand eine Vielzahl von Wohnungsgrößen zwischen 35 und 180 m² (zum Teil als Maisonette) mit ebenso vielfältigen Grundrissen. Während manche Bauherren sich für eine konventionelle Raumaufteilung entschieden, wählten andere einen offenen Loftcharakter. Ein Drittel der 50 Wohnungen sind barrierearm gestaltet. Das gegensätzliche Gesicht der beiden Hauptfassaden rührt her aus der Nord-Süd-Lage des Gebäudes. Die Nordfassade zur Schwiebusser Straße ist weitgehend geschlossen gehalten, um die Privatsphäre der Bewohner zu schützen. Hauptmaterial der Vorhangfassade sind mit Echtholzfurnier veredelte Holzverbundplatten. Die Erd- und die Dachgeschosszone sind mit Cembritplatten farblich abgesetzt. Das hellgraue Dachgeschoss tritt dadurch optisch zurück – wodurch das Haus niedriger wirkt, als es eigentlich ist. Ganz anders die zum Park hin ausgerichtete Südfassade: Sie ist durch eine vollflächige Dreifachverglasung geprägt. Teilweise versetzte beerenfarbige Stahlbetonbalkone gliedern ihre große Fläche; die kreisrunden Öffnungen in den Brüstungen erlauben Durchblicke von innen und strahlen nachts als Lichtpunkte in die Umgebung. Durchlaufende Stege erweitern die Fläche der Balkone und dienen den Bewohnern als Stellfläche für Pflanzkübel. Die Dreifachverglasung stellt einen wichtigen Bestandteil des Energiekonzepts dar. Zusammen mit der hoch gedämmten Vorhangfassade, der kontrollierten Be- und Entlüftung, dem Gründach und der Nutzung von Geothermie kommt das Haus damit auf einen KfW-55-Standard. Trotzdem gelang es, die Gesamtkosten für die Bauherren auf durchschnittlich 2.500 Euro pro m² zu begrenzen.
Der Gemeinschaftsgedanke des Projektes bezieht sich keineswegs nur auf die Neubauten, er bezieht auch die Nachbarn in den gegenüberliegenden Gründerzeithäusern ein, denen der Neubau den freien Südblick verbaut hat. Um die Nachteile in Grenzen zu halten, führte die SQFP Besonnungsstudien durch – deren Ergebnis veranlasste sie, die Neubauten um 5,50 m zurückzusetzen, sodass die Nachbarn weiter die Sonne genießen können. Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis ist den Bewohnern des THF-Projekts nicht zuletzt deshalb wichtig, weil 80 Prozent von ihnen zuvor bereits im Kiez gewohnt haben. Und offenbar versteht man sich tatsächlich bestens – jedenfalls feierten die Baugruppenmitglieder und ihre Nachbarn aus den Altbauten vor kurzem gemeinsam ein Frühlingsfest.
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