Einladend mit viel Freiraum
Unter einem gemeinsamen Dach entstand Wohnraum als Eigentum und zur Miete
Allzu oft gilt das Einfamilienhaus als einzig wahre Möglichekeit, um den Wunsch von individuellem Wohnen zu erfüllen. Mehrfamilienhäuser ohne Charme, von Investoren gebaut, einzig um Rendite zu erzielen, wirken wie eine Bestätigung dieser Darstellung. Es geht aber auch anders, wie Architektin Andrea Wirges-Klein zeigt. Sie hat die Wünsche von zwei Bauparteien unter einem gemeinsamen Dach verwirklicht. Dabei sind im intensiven Austausch vier individuelle Wohneinheiten entstanden, in denen sowohl Eigentümer:innen als auch Mieter:innen wohnen.
Zwei versetzte Pultdächer überspannen den geschachtelten Baukörper des Mehrfamilienhauses. Auf dem nach Süden orientierten Dach produziert eine Solaranlage Warmwasser. Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt im ganzen Haus, das aus Hochlochziegeln errichtet wurde, für ein angenehmes Raumklima. Von der weiß verputzten Fassade heben sich anthrazitfarbene Elemente wie Fenster, Verblendungen, Fallrohre und Dachflächen markant ab. Vor- und Rücksprünge geben vor allem den Terrassen und Balkonen ausreichend Privatsphäre. Die Freiflächen, die sich auf allen Ebenen finden, erweitern den Wohnraum. Drumherum sprießt der üppig begrünte Garten, der über einen Brunnen bewässert wird. Das Grün dient besonders im Erdgeschoss auch als Sichtschutz, etwa für die Terasse, die nach Westen zum Parkplatz liegt. Hier wechseln sich Wandscheiben aus Beton mit der Bepflanzung ab. Nachts setzt die Beleuchtung Haus und Bäume ästhetisch und stimmungsvoll in Szene. Besondere Aufmerksamkeit hat der Eingangsbereich erhalten. Dunkel lackierter Flachstahl mit Einlagen aus Altholz, eingesetzt als Sichtschutz und Geländer, ergänzt die Grautöne von Sichtestrich und Sichtbetontreppen.
Beispielhaft zeigt die Eigentumswohnung im Erdgeschoss, wie die Gestaltung der Wohnungen aussehen kann. Schwarzstahllamellen an der Rückwand des Kamins, Cortenstahl am Sockel und Oberflächen aus Mooreiche zeigen das Materialspektrum, das in der Küche durch Fronten aus HPL-Schichtstoff erweitert wurde. Auch hier besteht der Fußbodenbelag aus Sichtestrich. Ein Einbaumöbel im Eingangsbereich strukturiert den offenen Grundriss, bietet Stauraum und Sitzgelegenheit. Vor allem aber trennt es die Rückzugsräume vom Wohnbereich. Diesen zonieren Lichtinseln, rufen Gemütlichkeit hervor und laden zum Verweilen ein. Zur angenehmen Atmosphäre trägt der feuchtigkeitsregulierende Lehmputz bei. So kann das Wohnen in diesem Mehrfamilienhaus aussehen. Wie die anderen Wohnungen aussehen? Das bleibt im Verborgenen. Eines aber ist klar: Individualität lässt sich auch in Mehrfamilienhäusern umsetzen.
Fotos:
Marcel Kohnen
www.marcelkohnen.de
(Erschienen in CUBE Köln Bonn 04|23)