Das Office, die Messe, das Wohnen

Ein Gespräch mit Jurek M. Slapa über die Corona-Folgen für die Architektur und warum er Einfamilienhaus­projekte erfolgreich ausschlägt

CUBE: Airport Terminal, GAP 15, Trivago-Zentrale und Hyatt im Medienhafen, demnächst das neue Eingangstor der Messe – wie fühlt sich das an, wenn man als Architekt mit seinen Landmarken das Gesicht einer Metropole so umfassend prägt wie Sie in den letzten Jahren in Düsseldorf?

Jurek Meinhard Slapa: Natürlich erfüllt es uns mit Freude, dass unsere Bauwerke das Bild Düsseldorfs mitprägen – vor allem, wenn diese von den Nutzern positiv angenommen und somit zum Identifikationsmerkmal für die Bürger der Stadt werden. Trotzdem bleibe ich der größte Kritiker unserer Projekte und frage mich auch Jahrzehnte später, was wir an der einen oder anderen Stelle noch besser hätten machen können. Als Architekten haben wir eine große soziale Verantwortung: Bauwerke prägen Städte und die Menschen, die darin leben, über Jahrzehnte, manchmal gar Jahrhunderte. Allein deshalb sind wir bestrebt, eine möglichst zeitlose und nachhaltige Architektur zu kreieren. Ob uns das wirklich gelingt, kann aber eigentlich erst die nachkommende Generation so richtig beurteilen.

Der neue Südeingang der Messe Düsseldorf mit seinem exponierten Spitzdach steht kurz vor seiner Fertigstellung – zu einem Zeitpunkt, in dem alle auf virtuelle Messen setzen. Wie lebt es sich als Architekt mit diesem Widerspruch?

Die Messewirtschaft bekommt die Auswirkungen der Pandemie natürlich besonders hart zu spüren. Aber die Tore der Messe Düsseldorf werden nicht für immer geschlossen bleiben – Messen sind wesentlicher Bestandteil unserer globalisierten Wirtschaft. Virtuelle Formate werden die Kontaktintensität einer Messe vielleicht ergänzen, diese aber niemals ersetzen können. Glücklicherweise bieten der neue Südeingang und die ebenfalls neu fertiggestellte Messehalle 1 ausreichend Flexibilität, um Veranstaltungen unterschiedlichster Art und Größe auch mit entsprechenden Hygienemaßnahmen durchführen zu können. Aber als Architekt sehnt man sich natürlich dem Moment entgegen, ein Projekt dieser Größenordnung, das sowohl der Messe als auch der Stadt im Norden ein neues Gesicht verleiht, endlich richtig „lebendig“ mit Besuchern gefüllt und „in Funktion“ erleben zu können.

Die Corona-Krise hat in der Art, wie wir uns in Räumen bewegen und sie nutzen, viele Gemeinplätze aufgeweicht, die vorher wie in Stein gemeißelt erschienen. Wie wird sich die Pandemie auf die Gestaltung und Nutzung von Wohnraum zukünftig auswirken?

Die Pandemie hat noch einmal verdeutlicht, wie wesentlich die Wohnqualität von zu nutzenden Außenflächen abhängt. Denn nicht jeder hatte das Glück, während der Ausgangsbeschränkungen einen Balkon oder gar einen Garten nutzen zu können. Auch kleinere Wohnungen, gerade in Großstädten, sollten möglichst über Balkone oder andere Außenbereiche verfügen. Wir brauchen hier mehr Richtlinien für verbessertes Wohnen. In Haushalten mit mehreren Personen werden außerdem Rückzugsbereiche und flexibel nutzbare Flächen an Bedeutung gewinnen. Man wird sie immer dann nutzen, wenn das Arbeiten am Küchentisch wegen zu vieler präsenten Haushaltsmitglieder unmöglich ist oder das Café an der Ecke zum Arbeiten geschlossen ist. In Zeiten von Wohnungsmangel, überteuerten Miet- und Immobilienpreisen in den Städten kann die kurzfristige Antwort hierauf nur in flexiblen und leicht veränderbaren Grundrissen und Raumkonzepten liegen.

Schon heute weicht das Wohnzimmer immer mehr der Wohnküche, die zum Mittelpunkt der Wohnung wird. Geraten die Grundrisse nicht erheblich unter Druck, wenn hier nun auch noch Eltern individuelle Arbeitszonen für Videokonferenzen brauchen?

Keiner will zurück zur 80 m² großen Fünfzimmerwohnung und nicht umsonst wird die Wohnküche mit dem langen Esstisch, an dem gegessen und gearbeitet werden kann, überall nachgefragt. Für mehr Flexibilität können bewegliche Trennwände oder Schiebetüren sorgen, die den großen Wohnraum schnell in einzelne Zimmer verwandeln. Aber auch mobile und akustisch wirksame Raumtrenner, multifunktionale Möbel oder kreative Raum-in-Raum-Lösungen können helfen, wenn der Grundriss sich nicht so leicht verändern lässt. Ein anderer Ansatz sind Gemeinschaftsräume, wie sie in Mehrfamilienhäusern oder Wohnanlagen durch mehrere Parteien genutzt werden – aber bitte jetzt nicht an Kellerräume mit Tischtennisplatte oder verstaubte Klavierzimmer in Seniorenresidenzen denken! Gemeinsam genutzte Dachterrassen oder Bereiche, die nur zum Arbeiten dienen, quasi der Coworking Space einer Hausgemeinschaft, können eine echte Alternative darstellen und gleichzeitig auch zu einem besseren Nachbarschaftsklima führen.

Im Umkehrschluss kann man davon ausgehen, dass Büroimmobilien nach Corona noch weniger Fläche vorhalten werden. Welche Auswirkungen wird das auf die Konzeption von Büroflächen haben?

Sicherlich wird sich die Desk-Sharing-Rate in Büros weiter erhöhen. Wir reagieren darauf aktuell schon bei verschiedenen Projekten. Und wenn die Gesamtflächen kleiner werden, ist hier – genauso wie im Wohnungsbau – Flexibilität das Stichwort! Variabel bespielbare und multifunktionale Flächen, die mal als Besprechungsräume, mal für mobile Arbeitsplätze genutzt werden können. Räume, die auf Knopfdruck vergrößert oder abgetrennt werden können. Kontaktzonen, die sich mit Räumen für konzentriertes Arbeiten ablösen. Und letztlich auch Grundrisse, die schnelle und unkomplizierte Umbaumaßnahmen zulassen, sodass ich als Nutzer bei verringertem Flächenbedarf gegebenenfalls auch Teilflächen untervermieten könnte. Trotzdem: Überflüssig wird das Homeoffice Büros und Unternehmenszentralen nicht machen. Schließlich sind es nicht nur Orte der Begegnung und des Austausches, sie vermitteln ja auch die Kultur eines Unternehmens – externen Geschäftspartnern genauso wie Mitarbeitern.

Düsseldorf wählt im September einen neuen Bürgermeister und Stadtrat – damit steht auch die Bilanz von Thomas Geisel zur Wahl. Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen – wie hat sich die Stadt unter seiner Leitung verändert?

Thomas Geisel hat viele dringliche Themen angeschoben und das Image Düsseldorfs bürgernäher gestaltet. Ob mit zahlreichen Bürgerbeteiligungen, unkomplizierten Zwischennutzungen leerstehender Immobilien oder Freiflächen oder mit den vielen Sportevents – er hat der Stadt einen positiven Input gegeben. Auch wenn nicht alle Konzepte in Gänze überzeugen, hat er doch viel dazu beigetragen, der Stadt neue Wege aufzuzeigen. Und er hat dabei den Mut, neue Themen anzupacken und Dinge einfach mal auszuprobieren. Nehmen Sie die Mobilitätswende: Die Umweltspuren und Pop-up-Wege ernten viel Kritik, auch nicht unberechtigt. Aber klar ist doch auch: Die Stadt muss sich hier dringend bewegen und den Autoverkehr drastisch reduzieren.

Das Portfolio von sop Architekten umfasst das ganze Spektrum der Bauaufgaben: Von Flughäfen über Unternehmenszentralen, Wohnquartieren bis hin zu Stadien. Nur eine Aufgabe fehlt – haben Sie jemals ein Einfamilienhaus gebaut?

Also – solange die späteren Nutzer unbekannt sind, ist das für mich kein Problem! Aber wenn Sie den Entwurf nach den individuellen Wünschen und Vorstellungen der darin lebenden Personen gestalten müssen und diese dann auch noch in verschiedene Richtungen gehen, ist das eine der schwierigsten Aufgaben für Architekten überhaupt! In meinem Leben habe ich zwei Einfamilienhäuser geplant und mir danach geschworen, so etwas nie wieder zu tun: Bei dem einen Haus hat sich das Ehepaar nach der Einweihungsfeier getrennt. Das andere wurde nie realisiert, um damit die Ehe des dazugehörigen Paares zu retten. Immerhin hat sich der Bauherr den Entwurf eingerahmt und dieser hängt bis heute in seinem Arbeitszimmer. Wenn es nach den alten Baumeistern ginge, sollte man am besten ein Jahr mit einer Familie zusammenleben, um das Haus entsprechend ihrer Bedürfnisse planen zu können – und dafür bin ich mittlerweile zu alt! (lacht)

Herr Slapa, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Paul Andreas.

Jurek Meinhard Slapa

geboren 1942 in Königshütte (Chorzów), Polen, absolvierte sein Studium der Architektur an der Technischen Universität Krakau und der RWTH Aachen. Er war rund 20 Jahre für das Büro HPP Architekten in Düsseldorf tätig, in dem er einige Jahre die Wettbewerbsabteilung leitete. Von 1987 an war er gemeinsam mit Zbigniew Pszczulny und Helmut Oberholz Gesellschafter des Architekturbüros JSK Düsseldorf. Das gesamte Büro trennte sich 2010 von der JSK Gruppe und arbeitet seitdem unter slapa oberholz pszczulny | sop architekten zusammen. Mit fünf Gesellschaftern und rund 90 Mitarbeitern entwickeln sop architekten Bauwerke in den Bereichen Büro-, Gewerbe-, Hotel-, Industrie- und Wohnungsbau sowie Flughäfen, Sportstätten oder Einrichtungen für Lehre und Forschung.

Fotos:

B+E Fotografie
Piet Niemann
Visualisierung Cadman

(Erschienen in CUBE Düsseldorf 03|20)

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