Rundungen ins Eckige
Cafeteria eines Forschungszentrums schafft Klarheit und Raum für frische Ideen
Das Fraunhofer-Institutszentrum zählt zu den größten Forschungszentren in Deutschland. Da sich die Mitarbeiterzahl vervierfacht hat, brauchte die Cafeteria unbedingt eine Erweiterung. Das Büro Sehw Architektur hat dafür das sowohl funktional als auch gestalterisch in die Jahre gekommene Gebäude im Gastbereich komplett neu gedacht, um mehr Sitzplätze und mehr Nutzungsflexibilität zu schaffen. Die ehemalige Cafeteria im Erdgeschoss wurde abgerissen und stattdessen eine neue freie Café-Landschaft eingefügt, die sich mit ihren Rundungen vom Bestand formal löst.
Die Ausgangssituation für die Komplettsanierung war dabei etwas ungewöhnlich: Denn die zunächst eingeschossige Cafeteria der 1980er-Jahre war später noch mit einem Kantinengebäude überbaut worden. Für die Architekten war von Beginn an klar, dass sie die ursprünglichen Bauten abreißen und lediglich mit einer Pfosten-Riegel-Fassade einen neuen Raum schaffen würden, der die vorhandene Kantine als Decke und den Keller als Bodenplatte nutzt. Die Deckenkonstruktion mit den markanten Spannbetonträgern wurde unverkleidet erhalten, damit der mehr als 6 m hohe Raum erlebbar bleibt. Frei abgehängte Deckensegel in verschiedenen Durchmessern und in unterschiedlichen Höhen lassen die Träger jedoch in den Hintergrund treten. Der hohe Raum, das vielfach eingesetzte kräftige Grün, Lichtakzente und freie Formen schaffen bewusst einen Abstand zur Arbeitsatmosphäre und damit Platz für neue Ideen.
Die abgerundeten Formen der Cafeteria unterstreichen ihren eigenen Charakter, denn sie kontrastieren nicht nur mit den umliegenden Bauten, sondern auch mit den Formen der Kantine im Obergeschoss. Aber auch die Funktionen unterscheiden sich: Gilt es im Obergeschoss mehr als 1.000 Personen täglich optimal mit Essen zu versorgen, soll die Cafeteria im Erdgeschoss ein Ort des Verweilens und der spontanen Kommunikation sein. Die verschiedenen Zonen schaffen hier unterschiedliche Atmosphären: Der Tresenbereich mit der Kaffeemaschine unterscheidet sich von den durch Deckensegel akzentuierten Sitzbereichen oder den Gangbereichen, in denen flächige Akustiklochdecken für bessere Akustik sorgen.
„Konstruktiv war das Projekt eine große Herausforderung, da unterschiedliche Setzungs- und Schwingungsbewegungen der Bauteile aufgenommen werden mussten und in den Spannbetonträgern keine direkten Befestigungen möglich waren“, erläutert Hendrik Rieger, Geschäftsführer von Sehw Architektur. „Auch war es nicht leicht, die Installationen und Deckensegel unter der Decke zu befestigen.“ Trotz der schwierigen Voraussetzungen ist bis in die Details eine klare Architektursprache gelungen, die ein frisches Raumgefühl schafft und durch den Einsatz der runden Formen und dem gezielten Farbeinsatz auch individuell und identitätsstiftend wirkt.
Fotos:
Philipp Obkircher
www.philippobkircher.de
(Erschienen in CUBE Stuttgart 01|21)