Offen und interaktiv
Ein Anbau in Ehrenfeld bietet urbanen Rückzugsraum mit viel Kontaktfläche
Mitten im pulsierenden Ehrenfeld entstand ein Stadthaus, das sich sensibel in die urbane Struktur einfügt und zugleich architektonische Eigenständigkeit beweist. Das Kölner Büro Breedveld Engelhardt Architekten transformierte die belastbaren Reste eines Anbaus in ein terrassenartig abgestuftes Stadthaus, das vor allem durch sein offenes Raumgefüge beeindruckt.
Ausgangspunkt war ein Anbau aus dem frühen 20. Jahrhundert, der an ein Wohn- und Geschäftshaus an der Venloer Straße grenzte: Ursprünglich sollte er saniert werden, doch die marode Bausubstanz – durchhängende Holzbalkendecken, poröse Ziegel und statische Defizite – ließ eine wirtschaftliche Lösung nicht mehr zu. Der Anbau wurde daher überwiegend neu errichtet: Es entstand eine Wohneinheit über drei Etagen, während ein bereits vorhandenes Ladenlokal erweitert wurde. Die Silhouette des Anbaus entspricht – wie von der Bauaufsicht gefordert – der ursprünglichen, dreifach abgestuften Form des Bestands. Im Inneren verfolgt das Stadthaus die Idee eines urbanen Rückzugsortes: Ein großzügiges Raumgefüge öffnet sich über drei Ebenen, die durch eine freitragende elliptische Treppe aus Ortbeton miteinander verbunden sind. Filigrane Rundstahlgeländer kontrastieren in ihrer handwerklich präzisen Form mit der orthogonalen Tragstruktur aus rauem Ortbeton. Der fließende Übergang des Wohnraums im Erdgeschoss in den Außenraum des Hofes setzt sich im Inneren fort: So sind Schlaf- und Kinderzimmer ebenfalls durch raumhohe Verglasungen vom Wohnraum getrennt. Dadurch entstehen verschiedenste Blickbezüge und vielfältige Möglichkeiten zur ebenen- und raumübergreifenden Interaktion der fünfköpfigen Familie. Durch Vorhänge lassen sich Schlaf- und Kinderzimmer jederzeit separieren, um Rückzugsorte und Privatsphäre zu ermöglichen. Jede Etage verfügt zudem über einen eigenen kleinen Außenraum: Großformatige Hebe-/Schiebetüranlagen ermöglichen fließende Übergänge auf die Terrassen, ohne Gefahr der Überhitzung aufgrund der Nordostausrichtung.
Sowohl die Materialität als auch die Konstruktion wirken roh, schnörkellos, funktional und auf das Wesentliche reduziert. Die raue Stahlbeton-skelettkonstruktion und eine im Erdgeschoss aus Abbruchziegeln des Altbaus wiedererrichtete Brandwand verweisen auf die Geschichte des Stadtteils, der im 19. Jahrhundert das Herz der Kölner Industrie darstellte. Zugleich kommt so der gestalterische Anspruch nach Reduktion und Einfachheit zum Ausdruck. Die Skelettkonstruktion – ausgesteift durch einen Stahlbetonkern mit Eingangsbereich und Bad und ausgefacht durch Mauerwerk – ermöglicht es zugleich, die Idee des offenen, stützenfreien Raumgefüges umzusetzen. Zudem konnten so die hohen Brandschutzanforderungen der Gebäudeklasse 4 erfüllt werden, die sich durch das Vorderhaus ergaben. Aber auch technisch setzt das Gebäude auf eine konsequente Reduktion: So wird die Fußbodenheizung über das Vorderhaus versorgt, auf Klimatisierung und Lüftungsanlagen wird ganz verzichtet. Betondecken dienen als Speichermassen und arbeiten in Kombination mit Nachtlüftung für ein angenehmes Raumklima – im Winter wie im Sommer. Ein BUS-basiertes Smart-Home-System ergänzt die Ausstattung und lässt Raum für künftige Erweiterungen.
Fotos:
Marc Breedveld
(Erschienen in CUBE Köln Bonn 04|25)
