Heilen mit Wohlfühlfaktor
Eine Praxisgemeinschaft setzt bewusst auf wohnliche Räume
Als ein Ort, an dem Medizin neu gedacht wird, versteht sich die Praxisgemeinschaft Wolfgarten im Bonner Stadtteil Bad-Godesberg. Die Praxis beruht dabei auf drei Säulen: Radiologie, Gynäkologie und einem Weiterbildungszentrum für Patient:innen, in dem insbesondere an Brustkrebs erkrankte Frauen Seminarangebote bekommen. Der holistische Ansatz der Praxis, die breit zwischen zwischen Diagnostik, Therapie und Mind-Body-Medizin aufgesetellt ist, sollte sich auch bei der Auswahl des Gebäudestandortes und der Gestaltung der Innenräume widerspiegeln: Für eine alte Jugendstilvilla an der Adenauerallee entwickelte die Innenarchitektin Alice Matheis aus Bad Honnef ein Konzept, das mit überlieferten Vorstellungen von einer Arztpraxis bewusst bricht.
Die Praxis sollte sowohl für die Mitarbeitenden, als auch für die Patient:innen einen hohen Wohlfühlfaktor bieten. Das Konzept der „healing architecture“ hat als Teil des Behandlungspfades dabei einen hohen Stellenwert. Das Ziel war es, durch eine zugewandte und nahbare Architektur sowie Ausstattung Ängste und asymmetrische Beziehungen zwischen Arzt:in und Patient:in zu vermeiden. Zugleich sollten die Räume aber auch medizinischen Standards und einer hohen Funktionalität genügen. Allein die Medizintechnik in das Gebäude zu integrieren, stellte sich als Herausforderung dar: Schumacher + Willeke Architekten aus Bonn gelang es, auf den Holzbalkendecken ein MRT mit einem Gewicht von 5,5 Tonnen und ein 2,5 Tonnen schweres CT so zu integrieren., dass die stuckverzierten Räume unangetastet blieben. Möglich wurde das durch aufwändige Stahlkonstruktionen und Fundamentierungen im Kellergeschoss samt Raumkühlungen. Das Praxiskonzept von Alice Matheis sieht im Erdgeschoss den zentralen Empfangsbereich vor – überspannt vom imposanten Tonnengewölbe. Das Backoffice schließt sich fließend in einem Open Space daran an. Der Wartebereich mit viel Tageslicht ist durch eine transparente Glaswand separiert, ebenfalls mit Fischgratparkett ausgestattet und verzichtet auf die übliche Reihenbestuhlung. Mit verschiedenen Sesseln, Beistelltischen und einem schützenden High-Back-Sofa wirkt er so ungezwungen wie ein Café. Der runde Erker ist zugleich wie geschaffen für eine Sitzbank, zumal sich unter der Sitzfläche in kleinen Rollcontainern Spielzeug für Kinder unterbringen lässt. In einem weiteren Bauabschnitt entstand im separat erschlossenen Untergeschoss ein multifunktionaler Seminarraum, der Kursen und Konferenzen zur Verfügung steht. Eine besondere Innovation stellt dabei die Deckenbeleuchtung dar, die nicht nur unterschiedlichste Beleuchtungskonzepte umsetzen kann, sondern zugleich akustisch absorbierend wirkt. Die angegliederte Küche zieht ihren Charme aus der Tapete „Chinoiserie“. Anregung für Gespräche bietet an einem „Meeting-Point“ eine kleine Ausstellung mit historischen Fotografien aus dem umliegenden früheren Hauptstadtviertel.
www.innenarchitektur-matheis.de
Fotos:
Sandra Then
www.then-fotografie.de
(Erschienen in CUBE Köln 03|23)