Glaubhaft und ohne Klischees

Irina Kromayer gestaltet authentische Filmsets und zeitlos-elegante Interieurs

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CUBE: Sie entwerfen Filmsets, genauso wie Einrichtungen für Büros, Restaurants, Wohnungen oder Hotels. Wie unterscheidet sich die Herangehensweise? 

Irina Kromayer: Beim Film stehen das Drehbuch und die Geschichte an erster Stelle. Die gilt es funktional und visuell zu bedienen. Funktional bedeutet, dass die Orte aus dem Drehbuch sich in der Realität widerspiegeln. Visuell heißt, dass die Geschichte unterstützt und atmosphärisch begleitet wird. In der Innenarchitektur steht die Funktion im Vordergrund. Ein Bedarf wird zunächst von einer Geschichte entkoppelt. Diesen gilt es zu definieren und ein Konzept zu entwickeln. Wie kann man die Stimmung des Benutzers beeinflussen? Soll man sich vor Ort konzentrieren, möchte man zur Ruhe kommen oder es gemütlich haben? Wir finden in der Regel eine Struktur, die wir interpretieren müssen, was ich als Drehbuch bezeichnen würde. Im Film ist es hingegen viel abstrakter, weil man beschriebene Blätter bekommt, die eine Geschichte mit einem ganz anderen Medium erzählen. Welche Räume finde ich vor? Wie verhalten sich Personen? Wie sieht die Wohnung der Tatortkommissarin aus? Es gilt glaubhaft zu gestalten, ohne in Klischees zu verfallen. 

Suchen Sie Wohnungen und Schauplätze für die Filme selbst aus? 

Auch das gehört zum Szenenbild. Man ist für alles verantwortlich, was die Kamera sieht, außer für die Kostüme. Die Locations sucht man mit Hilfe von Scouts aus. Manchmal braucht man viel Fantasie bei den logistischen Parametern. Wenn man zum Beispiel nur im Erdgeschoss sein darf, weil man zwei Eingänge braucht, um die Szene umzusetzen. Landschaften und Straßen gehören auch zur Planung. 

Bei Ihren anderen Aufträgen ist die Hülle ja schon vorhanden. Es soll eine Atmosphäre erzeugt werden, die am Ende stimmig ist. Wie gegen Sie da vor?

Bei uns gibt es keine bestimmte Formensprache. Von Auftraggeber zu Auftraggeber ist alles sehr individuell. Manchmal gibt es bei den Projekten den Denkmalschutz oder eine Farblichkeit, die gesetzt sind. Die Entwurfsarbeit kann zwischen völliger Freiheit und sehr engen Vorgaben pendeln. Oft denke ich am Anfang darüber nach, wie man sich dort fühlen soll. Bei den privaten Projekten weniger, weil man dem Bauherrn nichts aufzwingen möchte. Bei öffentlichen Räumen kann man mehr Vorgaben machen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Zum Beispiel beim Restaurant „Phoenix“ in Düsseldorf. Wenn die Leute dort hingehen, sollen sie die Lust verspüren, sich ein Jackett überzustreifen. Der Raum gibt das dann vor. Es ist ein Unterschied, ob man sich in einem Raum mit gewachsten Holztischen aufhält oder ob es dort ein wenig glamouröser ist. 

Wie war die Designidee beim Projekt „Phoenix“?

Es befindet sich im Erdgeschoss eines Büro- und Verwaltungshochhauses aus den 1960er-Jahren. Wir haben Elemente des denkmalgeschützten Gebäudes, etwa die Petroltöne oder die Natursteinböden aufgegriffen und mit zeitgenössischem Design gemischt. 

Beim Interieur des Hotels Château Royal werden die Berliner 1920er-Jahre in die heutige Zeit übersetzt. Damit erzeugen Sie eine besondere Behaglichkeit. Welche Gedanken standen hier am Anfang?

In ein Hotel kommen Gäste von außerhalb der Stadt. Es ist ein sehr intimer Ort, an dem man sich unbedingt wohlfühlen soll. Es soll einen umfassen und das Gefühl vermitteln, zu Hause zu sein. Ein wichtiger Punkt war also, einen Ruhepol zu schaffen. Beim Château bietet die räumliche Situation des denkmalgeschützten Ensembles eine andere Grundlage als bei einem Grand Hotel. Die Überlegung war, wie man die vorhandene Architektur unterstützen kann. 

Nämlich wie?

Man hat das Gefühl, in ein Privathaus zu kommen mit verschiedenen Räumen und unterschiedlichen Themen. Ich habe zum Beispiel lange mit den Betreibern darum gerungen, dass es keinen riesigen Rezeptionstresen gibt, damit die Ankommenden nicht den Eindruck haben, an einem Check-in Schalter zu stehen. Die Lobby geht in den Barbereich über und es fließt alles ineinander. 

Wie spiegelt sich Ihre Handschrift im Design wider? 

Wir wollten auch hier altes in eine neue Zeit bringen und so entwerfen, dass es morgen noch gültig ist. Es fing damit an, dass die Möbel nicht von der Stange kommen. Fast alle wurden eigens für das Hotel entworfen. Wenn man beim Interieur mit den 1920er-Jahren spielt, bedeutet das nicht, eine Kopie in Form eines Retrohotels zu erschaffen, sondern eine gewisse Modernität zu integrieren. Statt also etwa Art Déco Möbel hinzustellen, wollten wir Bezüge schaffen. Ich arbeite viel mit Referenzen und frage mich, wie es heute sein könnte. Bei den Leuchten war es wichtig, dass sie nicht modisch sind. Was der Markt anbietet, sieht allerdings irgendwie alles gleich aus, weil es immer große Trends gibt. Daher haben wir bei den Dekoleuchten vieles anfertigen lassen. Genauso richten sich die Farben nicht nach der Mode, sondern danach, was dem jeweiligen Raum Wärme bringt. In den öffentlichen Bereichen haben wir uns an expressionistischen Gemälden oder an den Farben des Bauhauses orientiert. Generell sind es eher gedämpfte Töne und knallige Akzente. 

Welche Referenzen gibt es bei den Materialien? 

Da ist zum Beispiel der Zinntresen der Bar. Das Material ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Es gibt nicht mehr viele Hersteller und wir mussten lange suchen, bis wir jemanden fanden, der uns ein eigenes schlichtes Profil herstellt. Natürlich ist Zinn ein sehr traditionelles Material. Aber ohne Ornamentik ist es plötzlich zeitlos. Alle Materialien, die verwendet wurden, kennt man bereits von früher. Holz, Stein, Glas oder Messing. Bei den Bädern gibt es aktuell einen Trend zu großformatigen Fliesen, weil diese schneller zu verlegen und nicht so anfällig sind. Dem wollten wir etwas entgegensetzen. Wir wollten Jugendstilmaße einsetzen, wie man sie aus Berlin kennt. Natürlich ohne dass man ein Retro-Bad erhält. Das vermittelt Berlinbesucher:innen ein regionales Gefühl. Die Kombination von farbigen Fliesen und farbigem Marmor ist auch eine Reminiszenz an die damalige Zeit. 

Viele Ihrer Projekte entstehen zusammen mit dem Schweizer Architekten Etienne Descloux. Jetzt planen Sie ein gemeinsames Büro. Was macht Ihr Teamwork aus?

Wir kennen uns aus Berliner Freundeskreisen. Ich schätze Etiennes Arbeit, weil sie sehr fein und besonders ist. Als ich das Projekt Phoenix angeboten bekam, machte ich noch sehr viel Film. Ich brauchte also einen Fachmann, der mich unterstützt. So starteten wir. Wir sind gute Sparringspartner. Manchmal fällt es mir schwer, meine Ideen in Worte zu fassen. Dann hilft es, jemanden an seiner Seite zu haben, der ähnlich fühlt und denkt. Wir diskutieren und sind nicht immer einer Meinung, aber die grundsätzliche Herangehensweise an Dinge ist bei uns sehr ähnlich. 

Frau Kromayer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(Erschienen in CUBE Berlin 04|23) 

Irina Kromayer

Innenarchitektin und Szenografin

Räume und Filme gestalten – beides wollte die Münchnerin Irina Kromayer. Darum startete sie 1991 ein Innenarchitekturstudium in Rosenheim mit Schwerpunkt Szenografie auf und setzte in New York mit einem Stipendium noch einen Master in Architektur obendrauf. Es folgten Projekte für Kino und Fernsehen mit Regisseur:innen wie Margarete von Trotta, Robert Thalheim, Oliver Storz oder Lars Kraume. Der ARD-Zweiteiler „Der Verleger“ führte die Kreative 2001 nach Berlin, wo sie heute mit ihrer Familie lebt und als Szenenbildnerin und Innenarchitektin arbeitet, oft zusammen mit dem Schweizer Architekten Etienne Descloux. Gerade entsteht ein gemeinsames Büro. Aktuelles Highlight ihres Portfolios ist das wohnliche Interior-Design des Hotels „Château Royal“ in Berlin.

 

 

 

 

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