Weltstadtbad mit Ostsee-Flair

Am Strandbad Wannsee sonnt man sich auch im modernen Architekturerbe

Eigentlich hätten es über 540 m werden sollen – auf dieser Länge hatten sich der Architekt Richard Ermisch und der Berliner Stadtbaudezernent Martin Wagner den Gebäudekomplex auf dem Plan vorgestellt, der den Großen Wannsee an seiner östlichen Flanke säumen sollte. Seit 1907 erfreute sich das Wannsee-Ufer besonders bei den ärmeren und mittellosen Haushalten großer Beliebtheit. Die „Badewanne Berlins“, wie man das Bad im Volksmund nannte, war allerdings baulich kaum ausreichend erschlossen. Erst im Zuge der weitreichenden Planungen für die „Großstadt Berlin“ in den Jahren 1929/1930 konnten Wagner und Ermisch ein umfangreiches „Weltstadtbad“ umsetzen, das sich an den Idealen des Neuen Bauens orientierte.

Während das Eingangsgebäude mit seinem Satteldach noch eher behäbig wirkt und eine Brücke zur umliegenden historistischen Villenbebauung sucht, wurden die Gebäude auf der Seeseite durchweg funktional entworfen. Aus der Ferne besehen, scheinen ihre gelben Klinkerfassaden mit dem Sandstrand zu verschmelzen – dafür wurde vom Timmendorfer Strand tonnenweise Sand an den Wannsee gekarrt. Die in einer Reihe aufgefädelten doppelgeschossigen Hallen boten erstmals im Obergeschoss ausreichend Umkleideräume, sowohl Sammelumkleiden mit Spinden als auch saisonal anmietbare Einzelkabinen. Über Jahre hatten sich die benachbarten Villenanwohner immer wieder darüber pikiert, dass das Umkleiden zumeist im Freien vonstattenging. Während auf dem Dach moderne Sonnenterrassen entstanden, wurden im Erdgeschoss neben den sanitären Anlagen, Schwimmeister- und Fundbüro, Strandkorb- und Liegestuhlverleih auch mehrere Verkaufsstände eingerichtet. Da die Gebäude auf verschiedenen Ebenen über Decks miteinander verbunden sind, ergibt sich bis heute das besonders vom See aus markante Bild einer Promenadenanlage. Der Erfolg war nach der Wiedereröffnung bahnbrechend: Zählte man 1927 bereits 900.000 Besucher, bevölkerten 1930 über 1,3 Mio. Badelustige das neue Strandbad am Wannsee.

Trotz des Erfolgs wurden von Ermischs und Wagners Planungen allein die Nordachse bis zum Strandcafé Lido umgesetzt. Die Weltwirtschaftskrise und die Machtergreifung der Nazis, die den Stil der Anlage als unangemessen ablehnten, verhinderten eine Fortsetzung und Spiegelung des Gebäudekomplexes nach Süden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der rege Badebetrieb überschattet von Unfällen: Ein benachbarter Truppenübungsplatz der Amerikaner führte immer wieder zu mehreren „Querschlägern“ mit Schwerverletzten. Seit den 1960er-Jahren verfiel das Bad zunehmend, auch wegen deutlich rückläufiger Besucherzahlen. Erst zum 100. Geburtstag des Bades 2007 konnten die meisten Anlagen erstmals denkmalgerecht wiederhergestellt werden. Heute verleihen sie dem entspannten Badevergnügen auch optisch wieder ihren ganz eigenen Reiz.

www.berliner-baeder.de

(Erschienen in CUBE Berlin 03|19)

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