Raumfolge zum Licht
Ein denkmalgeschütztes Einfamilienhaus erweitert sich eindrucksvoll in den Untergrund
Zurückhaltend, zeitlos, aber auch selbstbewusst – so wirkt das Wohnhaus, dessen Entwurf auf den bekannten Kölner Architekten Fritz Schaller zurückgeht. Auch nach umfänglicher Sanierung und Erweiterung lässt sich das denkmalgeschützte Bauwerk auf den ersten Blick kaum von den umliegenden Gebäuden der einheitlich gestalteten Siedlung unterscheiden. Erst wenn man einen Einblick in den rückwärtigen Bereich bekommt, kann man den Aufwand abschätzen, mit dem das Kölner Büro Benjamin von Pidoll Architektur dem denkmalgeschützten Gebäude eine ausdrucksstarke Raumfolge und neue Nutzungen hinzugefügt hat.
Manchmal ist es die bewusste Entscheidung gegen etwas „Neues“, die dazu führt, dass man im Bestand und dem vorgefundenen Kontext eine Extrameile geht, um so noch weiter über den Tellerrand hinauszuschauen. Ausgangssituation war, dass die Platzbedürfnisse und Raumwünsche einer siebenköpfigen Familie in dem denkmalgeschützten Bestand an ihre Grenzen stießen. Aus der Not die Tugend machend, sollte die erforderliche Erweiterung auf dem parkähnlichen Grundstück in mehreren unterirdischen Niveaus vollzogen werden. Herausforderungen dabei waren das äußerst umfangreiche Genehmigungsverfahren und die Abstimmung mit Bauaufsicht und Denkmalamt, aber auch die Weiternutzung des Hauses während des Umbaus. Allein vier Bauabschnitte wurden im Laufe der dreijährigen Planungs- und Umbauphase vollzogen. Startschuss für die Metamorphose war die Umgestaltung des Entree-, Wohn- und Arbeitsbereiches im bestehenden Erdgeschoss, das mit einem offenen Konzept, Blickbeziehungen und raumgebenden Körper neu definiert wurde. Ein Multifunktionskörper, der sowohl TV und Medien, als auch einen Barschrank und einen Kamin unterbringt, bildet dabei eines der gestalterischen Highlights. Um bereits im Entree einen großzügigen Blick in den Außenbereich zu offenbaren, wurde zudem ein 2.500 Liter fassendes Salzwasseraquarium in den Wohnbereich integriert. Nussbaum, Eiche und der vorhandene, denkmalgeschützte Solnhofener Plattenbelag dominieren dabei in allen Bereichen die Materialauswahl. So beeindruckt etwa auch das Elternbad mit einer gefrästen Natursteinwand, warmen Eichenholzelementen und einem ebenfalls in Natursteinoptik gehaltenen Waschtisch. Parallel zum Ausbau der Obergeschosse wurde mit den unterirdischen Erweiterungen begonnen.
Als größte Herausforderung entpuppte sich dabei, das bestehende niedrige Kellergeschoss auf die Raumhöhe des Erweiterungsteils zu bringen. Nur durch das schrittweise Unterfangen der Fundamente mit Pfählen ließen sich die beiden Fußbodenniveaus angleichen. Einem großzügigen unterirdischen Loungebereich wurde dabei ein Lichthof angegliedert, der wiederum über einen langgestreckten Infinity Pool sowohl begrenzt als auch geöffnet wird. Die Auskleidung der zweischaligen Wandkonstruktion erfolgte mit vollen Muschelkalkblendern, die mit ihren unterschiedlichen Formaten und Fugenschichtmaßen den Eindruck einer behutsam in die Topografie des Gartens eingebetteten, unterirdischen Schatzkammer entstehen lassen. Die nahezu rahmenlose Fensterfront, die den Blick von Innen in den Lichthof und dann in die weitläufige Tiefe des transparenten Infinity Pools lenkt, lässt sich in einer nebenliegenden Wandtasche komplett versenken. Innen und Aussen verschmelzen so buchstäblich nahtlos miteinander. Ein absolutes Highlight der Lounge ist ihre Lichtführung: Geradezu kaskadenartig ergießt sich am Ende des langen Raumes das Licht über Natursteinwand und Treppenanlage in den Lichthof. Durch die Kombination von Lichthof und dem entlang des Raumes geführten Oberlicht ergeben sich zudem unterschiedlichste Schattenwürfe und viele weitere effektvolle Lichtsituationen bis hin zu einer besonders atmosphärisch aufgeladenen Abendlichtstimmung. Parallel dazu ist auf der darüberliegenden Ebene eine individuell bepflanzte Gartenlandschaft vom Gartendesigner Peter Berg entstanden, die durch ihre Feinzonierung eine Vielfalt von Aufenthaltsqualitäten und Nutzungsangeboten für Groß und Klein bietet. Auch wenn Neu und Alt hier klar voneinander abgegrenzt bleiben, so bilden sie doch ein stimmiges Gesamtensemble mit gestalterischer Kontinuität.
Fotos:
Philip Kistner
www.philipkistner.com
(Erschienen in CUBE Köln Bonn 01|24)