Kleinstadt in der Großstadt
Wohnbauprojekt „Schoenegarten“ überzeugt durch gestalterische Vielfalt
So schnell ändert sich an manchen Stellen das Gesicht der Stadt. Was stand hier vor der Neubebauung an der Ecke Genthiner-/Kurfürstenstraße? Nichts! Das Grundstück lag mehrere Jahrzehnte brach. Nun schließt ein Gebäudekomplex namens „Schoenegarten“ die Blockrandbebauung, als wäre er schon immer da gewesen. Der Entwurf für das Wohnquartier stammt von Tschoban Voss Architekten. Mit einer stattlichen Größe seiner Grundstücksfläche von 7.200 m² schafft es Wohnraum für – geschätzt – 300 bis 400 Bewohner:innen. Dieser verteilt sich auf 182 Ein- bis Vierzimmerwohnungen, deren Größen sich zwischen 46 und 146 m² bewegen.
Der Name des Quartiers setzt sich aus den beiden Stadtbezirken zusammen, an deren Grenze es sich befindet: Schöneberg und Tiergarten ergibt „Schoenegarten“. Die Lage im alten Westberlin könnte kaum besser sein – einen Katzensprung entfernt vom Nollendorfplatz und auch nur wenige hundert Meter sind es bis zum KaDeWe und zum Kurfürstendamm, dem Dreh- und Angelpunkt westlich der Mauer, als diese noch stand. Das rechtwinklige Karree umschließt einen begrünten Innenhof. Es setzt sich aus 14 Einzelgebäuden zusammen, die nahtlos aneinander anschließen – was im Innern der Wohnanlage noch nicht deutlich wird. Erst durch die unterschiedliche straßenseitige Fassadengestaltung wirkt die doch enorme Baumasse kleinteilig und abwechslungsreich. Die rauen Strukturen einer Beton-Holzschalung wechseln sich mit glattem Sichtbeton und fein geschliffener Travertin-Optik ab. Bei der Klinkerverkleidung wurden unterschiedliche Farb- und Mustervariationen verwendet. Die Gestaltungsvielfalt der Fassaden passt perfekt in das abwechslungsreiche Straßenbild. Die Erdgeschosse werden gewerblich genutzt. Auch dies trägt zum urbanen Erscheinungsbild der vermeintlichen Siedlung bei. An der West- und an der Südseite ragen weit auskragende Balkone in den Straßenraum. Sie sind teils versetzt, teils in gerader Linie übereinander angebracht. Auch sie verstärken den Eindruck eines Ensembles aus lauter Einzelhäusern. Dies ist der urbane Akzent der Entwurfsidee – ein so großes Bauvolumen an dieser Stelle mit einheitlicher Fassade hätte die Virtuosität des Ambientes zerstört. Nur durch die abwechslungsreiche Wahl der Baumaterialien und der Oberflächen fügt sich der Komplex in seine Umgebung ein. Die innen, zum Hof hin liegenden Fassaden hingegen sind einheitlich im gleichen Farbton verputzt. Die Gartenanlagen, gestaltet von KuBuS Landschaftsarchitektur aus Berlin, verdienen eine besondere Erwähnung, da wirklich eine parkähnliche Anlage im Innenhof entstanden ist: In der Mitte befindet sich eine Rasenfläche, umschlossen von einem Fußweg und entlang der Häuserwand eine abwechslungsreiche Buschbepflanzung. Im Norden und Osten erhalten die Erdgeschosswohnungen Terrassenflächen mit kleinen Vorgärten aus Strauch- und Baumbepflanzungen und Spielbereichen.
Fotos:
Klemens Renner
www.klemensrenner.com
Ilya Ivanov
www.photoivanov.com
(Erschienen in CUBE Berlin 01|25)