Gestern und heute im Dialog
Transformation macht Gründervilla zu einem Ort der Zukunft
Der einstige Wohnsitz des Firmengründers Albrecht Jung in Schalksmühle findet als Think Tank, Begegnungs- und Dienstleistungszentrum des Gebäudetechnik-Unternehmens Jung eine neue Bestimmung. Die Jung Gründervilla ist kein Showroom, sondern ein multifunktionales Büro- und Veranstaltungsgebäude. Nehse & Gehrstein Architekten BDA haben die historische Villa aus dem Jahr 1928 umgebaut, saniert und um einen Anbau ergänzt.
Das Büro aus Hannover hatte den vom Unternehmen speziell für junge Architekturbüros ausgelobten Wettbewerb 2017 gewonnen. Die hochkarätige Jury urteilte: „Mit diesem Beitrag versucht der Verfasser den Ort in seiner Ganzheit zu stärken, indem er die bestehende Villa freistellt, neue Blickbezüge und Perspektiven generiert und die Gartenanlage durch eine räumliche Fassung deutlich aufwertet. Der konzipierte Neubau wird als langgestreckter Baukörper abgesenkt verortet und im Untergeschoss an die bestehende Villa angebunden. Die Dachfläche wird als großzügige Terrasse auf dem Eingangsniveau ausgebildet, die den Besucher:innen einen spannenden Blick ins Tal freigibt.“ Im Rahmen der Sanierung wurde die identitätsstiftende Villa respektvoll für die zukünftige Nutzung umgebaut. Die Struktur des Bestandes wurde dabei überwiegend erhalten, charakteristische historische Elemente wurden wieder hergestellt, ohne zu rekonstruieren, integriert, interpretiert und zu Neuem transformiert, wie z. B. im großen Besprechungsraum. Der Konferenztisch und die Deckenleuchte passen sich im Radius an das neu gestaltete halbrunde Erkerfenster an. Das Dach des Neubaus – Schalterhalle genannt – dient als erweiterter Außenraum. Die Zufahrt folgt der Dimensionierung des Baukörpers und bildet durch Gestaltung und Konstruktion einen Kontrast zu den Gartenflächen. Der Grundriss der Schalterhalle wird von drei Kernen gegliedert. Sie tragen das Dach, nehmen unterschiedliche Funktionen auf und bilden ein fließendes Raumgefüge für unterschiedliche Nutzungen: Veranstaltungen, Ausstellungen und Vorträge.
Die konische Stütze bildet das abschließende Element der Trag- und Raumstruktur. Sie ist Abbild der Lastfelder am oberen und unteren Punkt und wird durch deren Verbindung mit Diagonalen gebildet. Eine skulpturale, mehrfach gekrümmte Treppenkonstruktion aus weiß lackiertem Stahl verbindet Villa und tiefergelegten Neubau, der sich mit großflächigen Glaselementen ebenerdig zum Garten öffnet. Während in der Villa ausgesuchte Wandfarben aus der Polychromie von Le Corbusier den Räumen ihre atmosphärische Wirkung verleihen, setzt der Neubau konsequent auf das Reine und Klare der Nichtfarben Schwarz und Grau sowie die Kraft der verwendeten Materialien Beton, Stahl, Glas und gebürstetes Holz. Ein besonderes Beispiel für die überaus gekonnte Verbindung von Historie und Gegenwart.
Fotos:
Henrik Schipper
www.henrikschipper.de
(Erschienen in CUBE Ruhrgebiet 01|25)