Offenheit als Haltung
Kita mit Familienzentrum gibt architektonische Antwort auf pädagogische Vision
In Gießen entstand eine vierzügige Kita mit angeschlossenem Familienzentrum, bei der die Integration mit der Form beginnt. So unterstützt sie die pädagogische Mission nicht nur, sondern übersetzt sie in Raum. Die Stadt Gießen hatte sich als Bauherrin vom Frankfurter Architekturbüro dirschl.federle_architekten nämlich kein konventionelles Kita-Gebäude gewünscht, sondern einen Ort, der Eltern, Kinder und Fachpersonal gleichermaßen einlädt, einbezieht und inspiriert. Die Architekt:innen antworteten mit einem runden Baukörper, der um einen offenen Hof organisiert ist. Alle Nutzungen – ob Gruppenraum, Mehrzweckfläche oder Elterntreff – ordnen sich hierarchiefrei um diesen Innenhof, während ein umlaufender Flur die Bereiche verbindet. Die klare, ringförmige Struktur schafft Übersichtlichkeit und erleichtert die Orientierung. Gleichzeitig fördert sie Begegnung und Kommunikation unter Kindern, Eltern und Pädagog:innen.
Der Innenhof ist das lebendige Zentrum des Gebäudes. Er dient nicht nur als Spiel- und Aufenthaltsfläche, sondern auch als sozialer Raum: wandelbar, lebendig, einladend. Hier finden Sommerfeste, Flohmärkte oder Weihnachtsaktionen statt – aber auch der spontane Austausch auf einer Bank im Schatten. Drei große Schirme schützen vor Sonne und Regen und verwandeln die Mitte so in einen Ort, der zum Verweilen einlädt. Jeder Funktion ist außerdem ein eigener Garten zugeordnet. Im Gegensatz zum zentralen Hof sind diese Außenräume spezifisch gestaltet – als Spiel-, Ruhe- oder Aktionszonen. Sie schaffen Rückzugsräume, fördern Bewegung und geben jeder Nutzung eine eigene Ausdrucksform im Grünen. Die Übergänge zwischen Innen und Außen sind dabei fließend umgesetzt, mit überdachten Terrassen und großzügigen Glasflächen. Auch konstruktiv zeigt sich der Entwurf flexibel und zukunftsorientiert. Die tragende Struktur besteht aus Stahlbeton, Fassaden und Innenausbau erfolgten in Holz- und Trockenbauweise. Das ermöglicht langfristige Umnutzungen und Anpassungen. Die äußere Hülle – eine Mischung aus Ganzglasfassaden, semitransparenten und geschlossenen Fassaden – unterstützt die dahinterliegenden unterschiedlichen Nutzungen, bei denen sich introvertierte und offene Räume abwechseln.
Natürliches Licht spielt bei dem auch energetisch nachhaltigen Gebäude eine zentrale Rolle: Bodentiefe Verglasungen sorgen für maximale Tageslichtnutzung – sowohl von der Gartenseite als auch vom Hof aus. In Schlafräumen übernehmen gelochte Metallpaneele die Rolle des feststehenden Sonnenschutzes, in innenliegenden Kinder-WCs sorgen Skylights für natürliche Belichtung. Der Speise- und Mehrzweckraum hebt sich mit seinem aufgefalteten Dach und Oberlichtband deutlich von den übrigen Räumen ab – und betont sowohl architektonisch als auch atmosphärisch die besondere Funktion.
Fotos:
Jörg Hempel
www.joerg-hempel.com
(Erschienen in CUBE Frankfurt 03|25)