Lebendiger Zeitzeuge
Der ehemalige Getreidespeicher bleibt ein Arbeitsort
An der Großen Elbstraße zeugen noch einige Gebäude von der rasanten Hafenentwicklung ab 1830 der erst dänischen, dann preußischen Stadt Altona, die erst 1937 ein Stadtteil von Hamburg werden sollte. Altonas Hafen erstreckte sich vom Fischmarkt bis Neumühlen und war geprägt von den Hauptumschlagsgütern Fisch und Getreide. Große Fischverarbeitungsbetriebe, Mühlen, die Mälzerei und unterschiedliche Getreidelager bestimmten das Bild. Wenige überdauerten den 2. Weltkrieg, einige von ihnen sind heute – saniert und umgenutzt – Teil der „Perlenkette“.
In diesen geschichtlichen Zusammenhang gehört auch der Getreidespeicher mit der Verladebrücke. Er wurde 1937 direkt am seeschifftiefen Wasser der Elbe errichtet, neben dem Altonaer Kaispeicher D von 1924. Der ehemalige Getreidespeicher steht als Zeitzeuge der Industriegeschichte Altonas seit 2013 unter Denkmalschutz. Zuvor gab es bereits unterschiedliche bauliche Eingriffe, wie neue Fensteröffnungen und das Einziehen von Geschossdecken, anstelle der ursprünglichen Silozellen. Aber glücklicherweise blieb seine historische Kubatur mit Verladebrücke, Satteldach, Gauben und Dachhaus erhalten. Der jetzige Umbau und die komplette Sanierung durch SEHW Architekten mit filigranen Stahlfensterkonstruktionen sowie weiteren Öffnungen mit neuen Teilungen versuchen die wesentlichen Merkmale dieses geschichtsträchtigen Bauwerks weiter zu stärken, um die ursprüngliche Nutzung als Industriegebäude hervorzuheben. Die ehemalige Schiffs-Verladebrücke, die die Elbpromenade überkragt und früher der Hafenbahn zur Getreideanlieferung diente, beherbergt nun einen Besprechungsraum mit spektakulärer Aussicht in alle Himmelsrichtungen. Die Klinkerfassade wies eine Fülle von Überarbeitungen als Folge von Kriegszerstörungen und Nutzungsänderungen auf. Diese wurden sensibel saniert, um sie als Zeitzeugnisse zu erhalten. Ein höchst anspruchsvoller Eingriff war die Hochwassersicherung. Dazu wurde die komplette Kellerdecke entfernt, um eine „weiße Wanne“ – eine wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion – in das Innere des Gebäudes einbringen zu können. Dazu war eine umfassende Abfangung des Gebäudes mit provisorischen Innenkonstruktionen notwendig. Weiterhin musste das Gebäude mit einer Vielzahl von Pfählen im Keller gegen den nun möglichen Auftrieb neu gesichert werden. Die Flutschutztore sind teilweise als Bodenklappenkonstruktion mit entsprechenden Gegengewichten im Terrassenbereich gesondert entwickelt worden.Der komplette Innenausbau mit integrierten Möbelelementen ist wie aus einem Guss gestaltet, das Treppenhaus mit durchgehenden Rohstahlbrüstung schlängelt sich durch alle Geschosse. Der historische massive Betonbau zeigt sich in seiner Rohheit im Zusammenspiel mit weißen puristischen Einbauten als ein harmonisches Zusammenspiel aus Geschichte, Materialität und Moderne.
Fotos:
Jakob Börner
www.jakobboerner.com
(Erschienen in CUBE Hamburg 02|23)