Nachhaltig Wachgeküsst
Der Hochbunker wurde in den Marienhof transformiert
Über sieben Jahrzehnte lag der Weltkriegsbunker am Marienplatz schon brach, fast unkenntlich unter seinem verschlungenen Bewuchs. Gemeinsam mit Politik und Verwaltung initiierte das Krefelder Planungsbüro Hambloch die Erweckung des Bauwerks aus dem Dornröschenschlaf: Der vorhandene Bestand aus massivem, unbewehrtem Beton sollte dabei so entkernt und erweitert werden, dass sich der langgestreckte Riegel zu möglichst viel Wohn- und Gewerberaum auf fünf Etagen umnutzen lässt. 30 barrierefreie Wohnungen zwischen 65 und 155 m² und drei Gewerbeeinheiten ließen sich ökonomisch auf fünf Etagen unterbringen. Dass Gewerbenutzungen integriert wurden, hatte dabei vor allem einen planungsrechtlichen Hintergrund, denn das Objekt liegt in einem urbanen Mischgebiet.
Bei Umnutzung und Umbau des Gebäudes galt es, den denkmalgeschützten Bestand der benachbarten Marienschule zu berücksichtigen. Entsprechend wurden bei der Aufstockung des Gebäudes die Trauf- und Firsthöhe der Schule respektiert und bei der in Richtung Marienplatz weisenden Fassadengestaltung das typisch rheinische rote Klinkermauerwerk aufgegriffen. Die Mansardendachform des alten Schulgebäudes wurde zudem von den beiden aufgesetzten Dachgeschossen als Steildach mit einem glatten Dachstein interpretiert. Städtebaulich wurde der hinter dem Bunker liegende städtische Spielplatz neu an den Platz angebunden: Der langgestreckte Gebäuderiegel ließ sich so öffnen, dass eine neue Blickachse und ein weiterer Zugang zur Marienschule entstanden.
Zunächst erfolgte die Rodung des intensiven Bunkerbewuchses, der sich über die Jahrzehnte auf dem Bestand angesammelt hatte. Ein nackter Betonklotz von 56 m Länge, 16 m Breite und 9 m Höhe kam dabei zu Tage, der anschließend – bauökonomisch optimiert – mit Seilsägen vertikal filetiert wurde. Die eher untypische Hallenstruktur des Bunkers hielt das Abraumvolumen von 3.500 t dabei noch in einem händelbaren Rahmen. Das Abbruchmaterial wurde noch vor Ort zu Straßenbaumaterial recycelt. Das am Ende entstandene Traggerüst stellte bereits ein Drittel des fertigen Rohbaus dar. Aus Gründen des Schallschutzes liegen die Wohneinheiten nach Westen zum Spielplatz hin orientiert. Durch das vorgelagerte Treppenhaus, die beiden Atrien und die zwei Meter dicken Bunkerwände wird der Marienplatz, auf dem oft Veranstaltungen stattfinden, akustisch komplett ausgeblendet. Zudem wurde auf einen nachhaltigen Umgang mit dem Bestand gesetzt: Die Betonoberfläche der Bunkerwände wurde lediglich scharriert, alle Betonsägeschnitte sichtbar belassen, die Untersicht der eingezogenen Decken in ihrem Rohbauzustand erhalten. Sowohl in den Wohnungen als auch in den drei Gewerbeeinheiten – darunter eine Zahnarztpraxis – wurden Teile der früheren Bunkerstruktur auf Wunsch sichtbar integriert. Große Fensterflächen, Balkone und Dachterrassen sowie die gläsernen Atrien sorgen für ein großzügiges, lichtdurchflutetes Ambiente. Den Bewohnern steht eine unter Teilen des Spielplatzes errichtete Tiefgarage mit 32 Stellplätzen zur Verfügung.
Fotos:
Alexandra Weiß
www.alexandraweiss.net
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 01|22)