Vom Kirchen- zum Lebensraum
Umbau einer Kirche mit Nebengebäude zum Familiendomizil
Auffällig an der 1961 erbauten neuapostolischen Kirche war vor allem der große, von einer vierseitigen Zeltdachkonstruktion überspannte Innenraum. Die sichtbaren Leimbinder mündeten in der mittigen Spitze. 1974 wurde dann ein Flachbau ergänzt. Das Ensemble wurde solide gebaut, war gestalterisch aber wenig attraktiv. Mit dem Wunsch, die Kirche in ein attraktives Wohnhaus umzubauen, kamen die Bauherren auf das Architekturbüro Manderscheid zu. Die Architekten erkannten das Potenzial der gesunden Bausubstanz und fokussierten vor allem darauf, den 10 m hohen Raum unter dem Zeltdach zum behaglichen Lebensmittelpunkt der Familie zu machen.
Der vorgelagerte Flachbau konnte durch wenige Eingriffe und einen neuen Eingang geordnet werden. Von hier aus führt der Blick durch die Diele in den Wohnraum und den Fenstererker an der Nordseite. Wie ein gerahmtes Bild sieht man die Streuobstwiese und einen landwirtschaftlichen Schuppen aus Holz. Dieser in der Region typische Verschlag war die Referenz für die neue Holzfassade. Im Flachbau sind die Schlaf- und Nebenräume untergebracht. Den ehemaligen Kirchenraum gliedert in Höhe und Weite eine zum Wohnraum mit einer Theke geöffneten Küchenbox entlang der östlichen Fenster. Die obere Ebene der Box ist über eine Regaltreppe und eine schlanke Brücke erschlossen.
Im Gegensatz zur räumlichen Großzügigkeit ist die Konstruktion bewusst sehr einfach und direkt gehalten. Die gemauerten Wände sind mit einem roséfarbenen Kalkputz geschlämmt, der positiv auf das Raumklima wirkt, indem er die Luftfeuchtigkeit reguliert. Am Boden ist ein geglätteter Zementestrich verlegt. Lediglich in den Schlaf- und Kinderzimmern liegt ein geöltes Industrieparkett. Die Innentüren bestehen aus unbehandelten Nadelholzplatten in Zargen aus L-Stählen.
Das regenerative Energiekonzept schafft ein weitestgehend autarkes Wohnhaus. Über eine Solewärmepumpe mit vier Bohrpfählen im Garten wird die Wärme für die Fußbodenheizung erzeugt. Die Photovoltaikanlage auf dem Flachdach mit Akku sorgt für den notwendigen Strom. Im Sommer können die Räume mit Wasser aus den Erdbohrungen leicht gekühlt werden. Im Wohnraum steht ein raumluftunabhängiger und automatisch steuerbarer Pelletofen, der vor allem in den Übergangszeiten genutzt wird. Vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg wurde das Projekt für den Effizienzpreis Bauen und Modernisieren 2018 prämiert und gewann schließlich mit Silber in der Kategorie Modernisierung Ein-/Zweifamilienhaus. Überzeugt hat die Jury sowohl die Gestaltung als auch die Energieeffizienz, sodass sie die gelungene Umnutzung als positiven Beitrag zur Baukultur wertete.
www.manderscheid-architekten.de
Fotos:
Johannes-Maria Schlorke
www.j-ms.de
(Erschienen in CUBE Stuttgart 01|19)