Eine runde Sache
Die Architektur eines Mehrfamilienhauses in Essen-Bedingrade nimmt Bezug auf die Umgebung
Der Stadtteil Bedingrade liegt im Westen Essens und ist geprägt durch seinen dörflichen Charakter mit vielen Grünflächen und einer Wohnbebauung mit überwiegend Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern. Eingebettet in dieses Umfeld haben KenChiku Architektur + Design ein Fünffamilienhaus geplant und umgesetzt, dessen Architektur einen Bezug zur einstigen Umgebung herstellt. Zwischen Roß- und Scheckenstraße, unweit des Naturschutzgebietes Hexbachtal, stand früher ein landwirtschaftliches Gehöft, auf dessen grünen Wiesen Pferde grasten. Dieses Bild von Dynamik und innerer Ruhe der Tiere prägte die Entwurfsplanung von Architekt Holger Gravius.
Das schlichte weiße Gebäude reagiert auf die geschwungene Silhouette der Pferde und lässt sie in konkaven und konvexen Formen in zahlreichen Details aufleben. Zugleich erfüllt es eine Vorgabe im Bebauungsplan, der eine runde Form der Fassade vorschrieb. Zusammen mit den Nachbarhäusern bildet der Neubau aus städtebaulicher Sicht einen ovalen öffentlichen Raum. Spielerisch können die Betrachtenden die konkaven und konvexen Formen erkunden, die sich wie ein roter Faden durch das Gebäude ziehen. Mal sind es runde Hausecken, dann kreisförmige Details in den Balkonummantelungen, die als Sonderanfertigungen in Auftrag gegeben wurden. Bei Sonnenschein und je nach Lichteinfall erzeugen die Rundungen der Lochbleche ein fließendes Spiel von Licht und Schatten auf der Fassade. Dachlamellen – ebenfalls Sonderanfertigungen – erinnern zudem hoch oben an große Sonnenschirme. Das Gebäude strahlt eine große Ruhe aus, ganz im Sinne von Holger Gravius. „Unsere Entwürfe basieren auf den Ideen des Minimalismus und dem ältesten Schönheitsbegriff der japanischen Zen-Kultur: Shiubi ist die Kraft der Ruhe, in der die vollkommene Integrität von Handwerk, Material und Entwurf zu erkennen ist“, so der Architekt über seine Bauphilosophie.
Über einen leicht geschwungenen Weg gelangt man durch den überdachten und geschützten Eingangsbereich in das Gebäude und trifft dort wiederum auf strahlendes Weiß und Rundungen: Eine geschwungene Treppe führt in die oberen Etagen, und unterschiedlich großen, runden Öffnungen in einer gerundeten Wand. Alle Wohnungen von 62 m² bis 136 m² verfügen über Balkone beziehungsweise Terrassen und sind nahezu barrierefrei. Dank offener Grundrisse wirken sie großzügig und mit teils bodentiefen Fenstern gelangt viel natürliches Licht ins Innere. Den Bewohner:innen steht eine Tiefgarage mit neun Stellplätzen zur Verfügung. Ein Aufzug führt von dort bis in die dritte Etage. Hohe Standards werden auch in Bezug auf Nachhaltigkeit erfüllt: Ein optimiertes Verhältnis zwischen Hüllfläche und Innenvolumen, eine Drei-Scheiben-Isolierverglasung der Fenster, eine optimale Dämmung sowie eine Gasabsorptions-Wärmepumpe sorgen für niedrige Betriebsenergien.
Fotos:
Holger Gravius
(Erschienen in CUBE Ruhrgebiet 04|25)


