Hamburger Stadtgeschichte: Urbane Kultur unvergesslich machen

Ausstellung und Programm im Rahmen des Hamburger Architektursommers


Das „Archiv Sternbrücke“ in der Galerie Kleefeld nimmt sich des denkmalgeschützten Ortes Sternbrücke in Hamburg Altona an. Bevor die Brücke in ihrer jetzigen Form aus dem Stadtgedächtnis verschwindet, machen Künstler*innen und Stadtforschende das Areal Sternbrücke während des Hamburger Architektur Sommers als Schnittstelle urbaner Kultur erlebbar und unvergesslich. Neben der Dokumentation gehen sie der Frage nach, wie die Sternbrücke und ihr umliegendes Areal wahrgenommen, erkundet und erfahrbar gemacht wird. Dabei steht das Aufspüren der oft genannten „atmosphärischen Präsenz“ an diesem Ort ebenfalls im Vordergrund. Besucher*innen können sich Schichten von Geschichte und Erzählungen nähern, die sich in diesem gebauten Stadtraum manifestieren. In einem Raum werden Praktiken des Künstlerischen, des Alltäglichen und des Archivierens miteinander in Beziehung gesetzt. Ein begleitendes Rahmenprogramm umfasst acht Veranstaltungen mit u.a. Vorträgen, Performances, thematischen Spaziergängen, Filmen und der Erarbeitung eines Hörstücks für Kinder (s.u).

In der Ausstellung werden Arbeiten von Merle Dierks & Sally Wichtmann (Recherche/Archivmaterial), Manuel Gies (Sound), Anna Grabo (Film/Video), Simone Kessler (Fotografie/Installation), Johanna Klier (Archivmaterial/Fotografin/Installation), Stephan Pflug (Fotografie) und Gereon Töpper (Zeichnung) gezeigt. Die Beteiligten des „Archiv Sternbrücke“ rufen Anwohner:innen, Zeitzeug:innen und Sammler:innen dazu auf, mit Material zur Sternbrücke aus allen Zeiten zur Ausstellung beizutragen. Es kann während der Ausstellungszeiten vorbeigebracht und ein Teil des Archivs werden:“ Interssierte sind aufgerufen zu helfen, die Lücken im Archiv zu füllen!

Seit 1893 wird die Kreuzung an der Stresemannstraße/Max-Brauer-Allee von einer Brücke überspannt, die bereits 1926 aus Kapazitätsgründen erneuert und erweitert werden musste. Die bis heute genutzte „Sternbrücke“ wurde 2015 unter Denkmalschutz gestellt. Nun scheint die verbleibende Zeit dieser Brücke und des umliegenden Areals gezählt: Sie soll ab dem kommenden Jahr abgerissen und durch ein stützenfreies, wirtschaftlicheres und auch bedeutend größeres Modell ersetzt werden. Seit Jahren wird erbittert um den Erhalt der Brücke gestritten. Ihr Abriss wird nicht nur die kleinteilig gewachsene Struktur der Kreuzung und ihrer Umgebung nachhaltig verändern, er wirft auch viele Fragen nach ökologischer Verantwortung, nachhaltiger Verkehrs- und Stadtplanung, Denkmalschutz, dem Erhalt von Orten kultureller Vielfalt und nicht zuletzt nach einer demokratischen Form der Bürgerbeteiligung auf. Für den Neubau der Brücke sollen sämtliche angrenzende Gebäude abgerissen sowie etwa 100 Straßenbäume gefällt werden. Fünf Musik-Clubs und das Künstlerhaus Faktor sind neben vielen weiteren Existenzen bedroht.

Veranstaltungen im Rahmenprogramm:

Samstag, 1. Juli, 16 Uhr, Fundbureau: Beziehungsweise Sternbrücke. Atmosphären als Archive des Städtischen (Vortrag).

Sonntag, 2. Juli, 16 Uhr:  Amt für außergewöhnliche Arbeitsumstände – Stabsstelle Sternbrücke (Performance) Akteurinnen für urbanen Ungehorsam. Wer sorgt sich eigentlich um eine Brücke? Was bedeutet es, im Schatten von Vergnügen und Verkehrsflüssen Erwerbstätigkeiten nachzugehen? Welche Arbeit steckt in der Bürokratie eines umkämpften Planungsprozesses – und dem Protest dagegen? Wird die Sternbrücke künftig von Robotern gentrifiziert? Kritisch und künstlerisch-intervenierend lädt das Amt für außergewöhnliche Arbeitsumstände zur performativen Erkundung der Arbeitsgalaxie unter der Sternbrücke ein. Zwischen Karteien, Katastern und Kasematten können Anrufe in den Arbeitsalltag der Vergangenheit getätigt, außerordentliche Arbeitserlaubnisse erhalten und wütende Formulare gegen die Gentrifizierung gefüllt werden. Dabei wird die Straße nicht nur zum Arbeitszimmer – sie wird zum umkämpften Schauplatz der Monster, die die Brückokratie rief! https://akteurinnen.de/

Dienstag, 4. Juli ,18.30 Uhr: Mapping the Bridge. Erinnerungen gemeinsam kartieren. Kathrin Wildner http://www.kwildner.net/

Donnerstag, 6. Juli, ab 17 Uhr, Künstlerhaus Faktor: Wechselwirkungen im Stadtteil Sternschanze.

Freitag, 7. Juli, Einlass ab 19:00 Uhr, Beginn 19.30 Uhr, Fundbureau: Filmprogramm. „Sternbrücke“ (D 2013, 23 Min., Regie: Jonas Schaul) und „Sternstunde Null“ (D 2021, 45 Min., Regie: Paul Uhlig). Im Anschluss Filmgespräch mit den Filmemachern. In Kooperation mit dem B-Movie-Kino. Eintritt gegen Spende. www.b-movie.de

Samstag, 8. Juli, 16 Uhr: Biodiversität in der Pflasterritze. Botanische Überraschungen am Straßenrand rund um die Sternbrücke. Andromeda von Prondzinski

Sonntag, 9. Juli, 16 Uhr: Lauschen und Rauschen – ein Soundwalk an der Sternbrücke. Manuel Gies (Spaziergang) http://spaziergaeng.de/soundwalks/

Mittwoch, 12.07. 19:30 Uhr Bar 227: Initiative Sternbrücke präsentiert: Sternbrücke. Die Chronik einer misslungenen Planung. Vortrag von Ulrich Meyer (WP Ingenieure). Eine überdimensionierte Brücke von 108 Meter Länge und 26 Meter Höhe, mitten in einem engbebauten Stadtteil, der so dicht besiedelt ist, wie kaum kein anderer in Hamburg. Wie konnte es dazu kommen? Welche Planungsautomatismen sind von Senat und Bahn hier in Gang gesetzt worden, ohne die Angemessenheit der Konstruktion und die Auswirkungen auf das Klima zu hinterfragen? Dr. Ulrich Meyer, Partner und Geschäftsführer des Hamburger Ingenieursbüros WP Ingenieure, hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Er nimmt den Planungsprozess unter die Lupe und erklärt das Geschehen wie ein Forensiker den Tathergang eines Verbrechens. Angestoßen von Ideen des Architekten Karsten Brauer, zeigt er eigene konkrete Ideen, wie eine neue Sternbrücke aussehen könnte: Städtebaulich verträglich, klimafreundlicher im Bau und trotzdem den Verkehrsanforderungen genügend.

Donnerstag,13, bis Sonntag, 16. Juli: Wovon träumt die Brücke? – Erarbeitung eines Hörstücks mit Kindern und Jugendlichen, radioPOL (Anmeldung erbeten: post@johannaklier.net). Wovon träumt die Brücke? Mit diesen und noch anderen Fragen im Gepäck sammeln, schneiden und senden wir mit euch vier Tage lang Stimmen, Geräusche, Musik und Sounds an der Kreuzung unter der Brücke. Dazu bauen wir eine kleine Live-Radio- und Aufnahmestation direkt vor Ort auf. Gemeinsam mit euch konzipieren und produzieren wir ein Hörspektakel fürs Radio. http://radiopol.org/

Alle Veranstaltungen finden an der Sternbrücke statt. Treffpunkt ist das Künstlerhaus Faktor. Der Eintritt/die Teilnahme ist kostenfrei – Das „Archiv Sternbrücke“ freut sich über Spenden.

www.architektursommer.de