CUBE Stuttgart · 03|22

59 ist entweder biobasiertes Polycarbonat, ein neues transparentes Material, das hauptsächlich aus industrieller Zellulose und Papierabfällen hergestellt wird, oder es wird aus recycelten Materialien hergestellt bzw. kann auch wieder recycelt werden. Sozusagen eine Win-Win-Situation, denn wir zerstören und wir verschmutzen nichts. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass alle diese Produkte meinem Bestreben nach „Affordable Luxury“ entsprechen, das heißt, gutes Design soll für jedermann erschwinglich sein. Gibt es neben Polycarbonat noch andere Materialien, mit denen Sie besonders gerne arbeiten? Eines meiner Lieblingsmaterialien ist Holz, vor allem in Form von Plywood, wie ich es bei der Smart-Wood-Kollektion von Kartell eingesetzt habe. Ich habe hieran mehr als 40 Jahre gearbeitet, um diese Tiefe zu erreichen. Diese Kollektion wächst und gedeiht wie ein richtiger Wald, denn wir experimentieren ständig mit neuen Holzarten und Oberflächenfinishs, die nicht nur technologisch, sondern auch nachhaltig auf der Höhe der Zeit sind. Was tun Sie, wenn Sie bei einem Entwurf nicht weiterkommen und Ihr Gehirn neu starten müssen? Für mich gibt es so etwas nicht, das ist nur etwas für Leute, die suchen. Ich suche nicht. Für mich ist es Teil der normalen Arbeit, ein Projekt von Grund auf neu zu beginnen. Für mich gibt es keine Probleme, nur Lösungen. Wenn mir jemand sagt: „Fang noch einmal an“, antworte ich: „Mach weiter“, „Forsche“ und „Entwickle“. Manchmal dauert es 40 Jahre oder mehr, bis ein Entwurf vollständig entwickelt und fertig ist. Aber manchmal ist es aus Gründen, die sich unserer Kontrolle entziehen, notwendig, einen Entwurf aufzugeben und etwas völlig anderes zu beginnen. Entweder wir setzen die Arbeit fort oder wir gehen einen anderen Weg. Wie bereiten Sie sich darauf vor, kreativ zu sein? Was ist Ihr Ritual? Kreativität ist eine Geisteskrankheit, die keine Inspiration braucht. Wir haben sie alle in uns selbst. Mit meiner Frau Jasmine lebe ich an der frischen Luft mitten im Nirgendwo, so kann ich vor mir selbst sein und Ideen in mir selbst finden. Ich habe immer wie ein Mönch gelebt und von morgens bis abends eingeschlossen zu Hause gearbeitet. Vor allem von Juni bis Mitte September arbeite ich acht bis zehn Stunden am Tag konzentriert alleine mit guter Musik, das ist meine Zeit der Kreativität. Es ist wie eine Drogenabhängigkeit. Sie müssen wissen, dass ich Ende September dann am Ende bin und in eine Klinik gehen muss, um mich auszuruhen, denn ich bin zerstört und habe überall Schmerzen. Ich kann keine Entscheidungen mehr treffen. Gibt es ikonische Produkte oder Architekturprojekte, die Sie in der Vergangenheit beeinflusst haben und die für Sie heute noch relevant sind? Kreativität ist keine Industrie, Kreativität ist keine Inspiration – sie ist wie eine Person, die nackt vor einem Spiegel steht. Das bedeutet: Alles, was Sie sehen, was gut ist, war ich, alles, was Sie sehen, was schlecht ist, war ich. Aber ich schöpfe meine Kraft aus der Natur und dem Zusammensein mit meiner Familie und meinen Freunden. Und um Ihre letzte Frage zu beantworten: Ich habe schon immer die Architektur und die Entwürfe von Antoni Gaudí gemocht. Herr Starck, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Dr. Nina Schwarz. © Kartell © Kartell Angelo Stone Smart Wood Collection INTERVIEW

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