CUBE München · 04|22

23 keinemDogma unterworfen. Ich sage nicht, die Wahrheit liegt imQuadrat oder so etwas. Sondern für mich liegt die Wahrheit imGrundstück und in der Aufgabe. Ich sage immer: Der Entwurf ist schon da, du musst ihn nur noch erkennen. Das ist eigentlich die Hauptsache: Alle Informationen, alle Sinne, alle Blicke einzufangen und in Sekundenschnelle auf den Punkt zu bringen. Das ist es vielleicht, was ich als Begabung mitbekommen habe. Dass ich in einer Sekunde über alles gleichzeitig nachdenken kann. Die Aufträge kommen aus verschiedenen Richtungen und wir scheuen keine Aufgaben. Wir haben gerade eine Stoffkollektion für Fischbacher aus der Schweiz gemacht. Und zu jedem dieser Stoffe gibt es eine Geschichte aus 5.000 Jahren Kultur. Ich weiß nicht, ob man sonst in Stoffen so eine Tiefsinnigkeit findet. Aber das ist eben die Art, wie ich arbeite. Sie haben da Bezüge zu IhremHeimatland Iran hergestellt und dessen Kultur, Muster und ähnliches aufgegriffen. Genau. Ich habe erst jetzt erkannt, wo ich eigentlich herstamme, und habe mich der Kultur ein bisschen genähert, ich konnte bis vor fünf bis sechs Jahren nicht einmal die Sprache sprechen. Lesen und Schreiben kann ich sie bis heute nicht. Aber dann habe ich plötzlich diese reiche Kultur erleben dürfen, dort findet man den Ursprung von allem, was man kennt. Und wie schön die Sprache ist! Eine Zusammenarbeit mit Fischbacher lag irgendwie auf der Hand, denn Camilla Fischbacher hat auch persische Wurzeln. So entstand die Kollektion „Contemporary Persia“. Wenn Ihr Arbeitstag beendet ist, wie entspannen Sie, wo tanken Sie Kraft, wo schalten Sie ab? Ich tanke Kraft in jeder Sekunde, in der ich mich bewege, weil ich versuche, immer positive Energien aufzunehmen. Das fängt schon morgens früh an. Wenn ich aufstehe, gucke ich aus dem Fenster auf die Alsterlandschaft, welche jeden Morgen anders ist. Dann gehe ich unter die Dusche, das warme Wasser ist für mich die größte Entspannung überhaupt. Dann suche ich mir Kleidung aus, die mir in dem Moment Spaß macht und fahre immer nur schöne Strecken ins Büro. Ich fahre nicht die schnellste Route, sondern alles Strecken, die mir gute Energie geben. Dadurch tanke ich Kraft. Im Büro angekommen, sehe ich Lichtreflexe auf der Wand, die ich eine Stunde lang betrachten kann – als ob ich auf das Meer schaue. Wir können sehen, wir können denken, wir können Eindrücke aufnehmen und selektieren. Wenn man das alles bewusst macht, dann nimmt man in jeder Sekunde Energie auf und kann diese auch immer abrufen. Herr Teherani, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Bettina Schön. © Bloomimages © Parham Taghioff Blick in das Atrium des Deutschlandhauses in Hamburg Lobby eines Apartmenthauses in Teheran © Hadi Teherani Architects/Brick Visual/David Knörnschild Das Spa Atmosphere by Krallerhof in den österreichischen Alpen INTERVIEW

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