CUBE Berlin · 04|21

34 1991 sind Sie nach Deutschland gekommen und sind 1992 beim traditi- onsreichen Hamburger Büro Nietz Prasch Sigl als Architekt angestellt worden. Warum Deutschland, warum Hamburg? 1991 hatte ich die Möglichkeit, meine russischen Projekte in der Ausstellung „Architekturdarstellung und Architekturvisionen“ in der Aula der Fach- hochschule Hamburg zu präsentieren. Begleitet wurde die Veranstaltung vom Bund Deutscher Architekten. Dank des Architekten Steffen Adam, CUBE: Herr Tchoban, Sie sind 1962 in Leningrad (von 1703 bis 1924 und seit 1991 wieder Sankt Petersburg) geboren, haben dort studiert und als Architekt gearbeitet. Sie wurden also in der Sowjetunion soziali- siert, entstammen einer jüdischen Familie vonWissenschaftlern und sind in einer Stadt aufgewachsen, die als eines der bedeutendsten kulturellen Zentren Europas über Jahrhunderte Intellektuelle, Lite- raten und Künstler angezogen hat, die ganze Prachtentfaltung der Zarenzeit zeigt, mit der Eremitage eines der ältesten und größten Kunstmuseen der Welt besitzt und deren Innenstadt mit rund 2.400 vor allemwestlich geprägten, klassizistischen Gebäuden seit 1991 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Eine interessante Gemengelage! Wie haben diese Zeitläufte Sie als Mensch und als Architekt geprägt? Sergei Tchoban: Ich war und bin von der Stadt Sankt Petersburg und de- ren Architektur sehr geprägt. Das Denken im Sinne eines regulierbaren Stadtbildes, einer Bildung von städtebaulichen Ensembles, also wenigen Dominanten, sprich herausragenden ikonischen Bauten an ausgewähl- ten Stellen und im Verhältnis dazu ein großer Anteil von nicht minder wichtigen, aber bescheideneren Hintergrundbebauungen, war und ist ein grundsätzliches Anliegen für mich und zentral für mein architektonisches Schaffen. Die Wurzeln hierfür liegen in meiner Geburtsstadt. Auch die essenzielle Rolle von Fassaden, deren Tiefe und Materialität wurde mir anhand von Sankt Peterburger Gebäuden bewusst. Ebenso bedeutend war für mich aber auch das Studium am Fachbereich Architektur der Russischen Akademie der Künste, insbesondere das Lernen des Zeichnens als wichtiges Kommunikationsmittel des Architekten. Sergei Tchoban ist ein international tätiger deutsch-russischer Architekt. 1962 in Sankt Petersburg geboren, Studium an der dortigen Akademie der Künste und Tätigkeit als Architekt in Russland. 1992 Angestellter bei NPS Nietz – Prasch – Sigl in Hamburg, seit 1995 geschäfts- führender Partner. Das Büro mit Standorten in Hamburg, Berlin, Dresden firmiert seit 2017 als Tchoban Voss Architekten. Tcho- ban führt seit 2006 das Architekturbüro Speech in Moskau. 2009 Gründung der Tchoban Foundation, aus der 2013 das Museum für Architekturzeichnung hervorging. Tchoban kuratierte zweimal den Russischen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig sowie auf der EXPO in Mailand und Dubai. Seit 2013 ist er Mitglied des Gestaltungsbeirates der Stadt Moskau. Tchoban ist seit 1992 Mitglied der American Society of Architectural Illustrators (ASAI) und war 2020 ihr Präsident. 2018 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem European Prize for Architecture des Chicago AthenaeumMuseum of Architecture and Design ausgezeichnet. © Holger Talinski © George Messaritakis Museum für Architekturzeichnung, Berlin-Mitte 2013 INTERVIEW ZEICHNER, ARCHITEKT, WELTBÜRGER Von der Seele der Städte

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