Michael Wesely. Berlin 1860–2023
Sonderausstellung der Kunstbibliothek
Wie lässt sich die räumliche und architektonische Entwicklungsdynamik einer Stadt fotografisch visualisieren? Wie kann Fotografie überhaupt Zeit und Leben einfangen? In zwei neuen Werkkomplexen spürt der international bekannte Fotograf Michael Wesely die in historischen Architekturfotografien Berlins bewahrten Fragmente vergangener Wirklichkeiten auf, um die archivischen Dimensionen des Mediums Fotografie zu erforschen. Für „Doubleday“ legt Wesely seine eigenen Aufnahmen passgenau über alte Fotografien Berliner Architektur aus dem 19. und 20. Jahrhundert und schafft damit atemberaubende Zeitsprünge zwischen Einst und Heute. Und in der Serie „Human Conditions“ richtet der Künstler den Fokus auf die in den großformatigen Aufnahmen der Preußischen Messbildanstalt eingeschlossenen Lebensspuren der Menschen um 1900.
Michael Wesely (*1963), Absolvent der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie und der Akademie der Bildenden Künste in München, erfasst mit seinen oft extremen Langzeitbelichtungen Prozesse, die sich über Zeiträume von Minuten, vielen Stunden bis hin zu Jahren erstrecken.
Die Kamera ist bei ihm statisch, sie nimmt die vergehende Zeit auf: für fünf Minuten sich mehr oder weniger stillhaltende Menschen, in einigen Tagen aufblühende und verwelkende Pflanzen, über Jahre im Bau entstehende Architektur. Immer schon befragte er die Grenzen des Mediums. An der Münchner Akademie entstanden Langzeitbelichtungen, bei denen er den Verschluss für die Dauer des Unterrichts in der Aktklasse, für die Dauer eines Vortrags oder für einen Tag in der Bibliothek geöffnet hielt. In die digitale Fotografie gewandelt, bleibt die Kamera ebenfalls fest an einem Ort installiert, doch werden hier täglich – oft über Jahre hinweg – hunderte Aufnahmen übereinandergelegt. In Langzeitprojekten fotografierte er die Errichtung einiger bedeutender städtebaulicher Strukturen in München, Berlin, São Paulo und anderen Städten. Von vorab auf Jahre festgelegten Standorten begleitete er den Umbau des Museum of Modern Art in New York (2001–2004) und die fünfjährige Sanierung der Neuen Nationalgalerie in Berlin.
Für die beiden neuen Werkkomplexe seiner Ausstellung im Museum für Fotografie hat Michael Wesely andere fotografische Verfahren des Festhaltens von Zeit entwickelt. Eine über mehr als 150 Jahre fotografisch erfasste Berliner Architektur- und Stadtgeschichte steht im Fokus der Serie „Doubleday“. Wesely untersucht hier in Überblendungen die durch Sprünge und Disruptionen geprägte Entstehung und Entwicklung der Großstadt. Die Arbeiten entstehen aus der Überblendung seiner am jeweils gleichen Ort gemachten Bilder mit historischen Aufnahmen berühmter Fotografen. Dazu zählen Fotografien von Friedrich Albert Schwartz, Albrecht Meydenbauer, Waldemar Titzenthaler, Max Missmann, Hein Gorny, Martin Badekow, Rolf Goetze aus den Sammlungen der Kunstbibliothek, des Brandenburgischen Landesdenkmalamts, des Stadtmuseums Berlin, des Landesarchivs Berlin, dem bpk-Bildarchiv, der Collection Regard und aus Privatsammlungen. Vom Alexanderplatz bis in die Gegend um den Bahnhof Zoo nahmen sie die bedeutenden Gebäude der Stadt in den Blick, dokumentierten städtebauliche Veränderungen, die Modernisierung der Stadt, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wie auch den Wiederaufbau.
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