Unterstrichen in Glas und Beton
Mit dem Aufzug jetzt barrierefrei in die Wotrubakirche
Wie Bauklötze stapeln sich riesige Betonquader, lassen zwischen sich Lücken entstehen, die mit Glas ausgefacht sind. Hier ist die Handschrift des Bildhauers Fritz Wotruba erkennbar, nach dessen Entwürfen der Architekt Fritz Gerhard Mayr die Kirche geplant hat, die zwischen 1974 und 1976 entstand. Als Sinnbild des Brutalismus fasziniert die Wotrubakirche in Liesing Gegner und Bewunderer dieses Architekturstils. Solch ein prägnantes Bauwerk mit einem Zubau zu ergänzen, ist keine einfache Aufgabe. Mit viel Respekt vor dem Bestand verwirklichte das Architekturbüro formann ² puschmann den geforderten barrierefreien Zugang mitsamt einem neuen Gemeindesaal und verschiedenen Nebenräumen.
„Unser Entwurf sollte den Bestand nicht stören, sondern sich harmonisch einfügen“, beschreibt Architekt Stefan Puschmann. So schiebt sich der Zubau in den vorhandenen Hügel unter der Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit, wie sie offiziell heißt. Glas, Beton und Edelstahl prägen auch hier das Aussehen, doch zurückhaltender in der Formensprache. In feine Rahmen gefasstes Glas öffnet den Raum, schafft die Verbindung von draußen hinein in den Hügel, gibt dem Innenraum Tageslicht. Ein schmales Betonband umrahmt die Öffnung wie ein feiner Lidstrich über dem Auge. Es nimmt das Grau des vorgelagerten Kiesplatzes ebenso auf wie das des wuchtigen Kirchenbaus oben auf der Anhöhe.
Ein durchgängiges Fugenmuster legt sich über die Sichtbetonwände und -decken des Innenraums, der sich wie eine Höhle in den Berg schiebt. Und wie in einer Höhle dient Beton als Speichermasse. Der unterirdische Zubau bleibt damit auch an sehr heißen Sommertagen angenehm kühl. „Die natürliche und damit ressourcenschonende Kühlung hat sich bereits bestens bewährt“, freut sich Puschmann. Einen warmen Kontrast setzen der Holzboden des neuen Mehrzweckraums sowie die Lärchenholzlattung, mit der einige Wände verkleidet sind. Doch auch ohne diese wohnlichen Elemente wirken die Räume des Zubaus einladend, wenngleich sie vornehmlich als Verbindung nach oben dienen. Und das nicht nur im sakralen Sinn. Ganz profan führt ein Aufzug auf die Geländeebene der Kirche. Mit seiner reduzierten Nurglaskonstruktion versteckt er sich, als wäre er Teil eines Suchbildes. Ohnehin zieht der mächtige Kirchenbau spätestens hier alle Blicke auf sich.
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Fotos:
KiTO photography
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(Erschienen in CUBE Wien 01|20)