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Raumakustik

„Planung und Gestaltung für Arbeitsräume brauchen eine Geräuschprognose.“

CUBE: Schall beeinflusst uns physiologisch, psychologisch, kognitiv und verhaltensmäßig. Ist es... mehr

CUBE: Schall beeinflusst uns physiologisch, psychologisch, kognitiv und verhaltensmäßig. Ist es nachweislich zu einer Besserung an der Arbeitsumgebung in den letzten Jahren gekommen?
Prof. Schricker: Nahezu jeder Unternehmer versucht mittlerweile optimale räumliche Bedingungen für Mitarbeiter/innen zu schaffen. Die technischen Möglichkeiten scheinen unbegrenzt; allein die Kunst wird sein, Milieus zu schaffen, die jeder selber einstellen und verändern kann ohne den anderen zu beeinflussen. Zudem wird klar werden, dass Menschen nicht mit den Ohren hören, vielmehr das gehörte interpretieren und kompensieren mit ihren Hörzentren im Hirn. Psychoakustik eben.

Die diesjährige Coburger Clang Clausur beschäftigte sich u. a. mit den Gestaltungsmöglichkeiten für Nachhallverkürzungen in Büros. Welche Lösungen wurden konkret vorgestellt?
In der Tat unterscheidet sich die Coburger Clang Clausur von anderen Akustikveranstaltungen dadurch, dass es nicht um die physikalische Akustik vornehmlich geht, vielmehr erörtern wir gestalterische Antworten auf komplexe Akustikwirkungen von Materialien. Akustikdesign stellt klar, wonach fast jedes Material zum Absorber generiert, sobald die Oberfläche perforiert, gelöchert, geschlitzt und durchlässig gemacht wird. Reflexion dagegen wird gewährleistet durch Härte, Gewicht und Unversehrtheit des Materials. Zonung, Schirmung und Masking, Absorption im Möbel und größtmögliche Flexibilität akustischer Wirksamkeit führen den Entwurfsgedanken für neue Arbeitswelten.

Akustisch nicht regulierte Gespräche in Großraumbüros können die Produktivität um 66 Prozent senken. Wie kann dem entgegengewirkt werden?
Wer konzentriert arbeiten will, sucht Ablenkung und Störfaktoren auszuschalten. Bislang standen lediglich akustische Tarnkappen und Abschottungen zur Verfügung. Man könnte auch Kopfhörer oder Oropax tragen. Zukunftsweisender sind Schallmaskierung und Kompensation. Das Wissen um synästhetische Gesamtwirkung und psychologische Effekte von Selbstbestimmung können wahre Wunder bewirken. Gleichsam der bewusste Umgang mit Akustik im Zusammenspiel mit Licht, Klima, Materialität und eigener Befindlichkeit weckt Sicherheit und Wohlbefinden.

Das Akustik–Design für Büroräume gliedert sich zu 30 bis 40 Prozent in technisch-akustische Faktoren und zu 60 bis 70 Prozent in Human- und Gestaltungsfaktoren. Wie erklärt sich, dass Maschinen leiser sind als der Mensch?
Ursprünglich ist mit der Erfindung der Maschine und mechanischer Bewegung künstlich Lärm in die Welt gekommen. Jetzt und vor allem durch die Emissionsschutzgesetze sind Geräte und Geräusche in den Büros eher leise und sehr ruhig geworden.

Was ist ein effektives Geräuschmanagement für das Gebäudedesign?
Planung und Gestaltung für Arbeitsräume brauchen eine Geräuschprognose, die es ermöglicht, von der Emission über die Schallausbreitung die zu erwartenden Geräuschimmissionen präzise zu ermitteln. Nach einem Konzept für Raumakustik wird bei der Umsetzung gemessen, dokumentiert, gesteuert, korrigiert und die auf individuelle Optimierung zugeschnittene Lärmminderungsmaßnahmen, Verbesserung von Betriebsabläufen, frühzeitiges Erkennen von Konfliktpunkten und Berücksichtigung der einschlägigen Normen, Richtlinien und Gesetze angewandt.

Üblicherweise ist die Nachhallzeit der Maßstab für raumakustische Qualität. Wie misst man diesen Wert und von welchen Kriterien ist er abhängig?
Nachhallzeit wird als alleiniger Wert für Raumakustikqualität häufig überbewertet. Gleichwohl werden damit die zwei Hemisphären der Raumakustik hörbar: lange Nachhallzeiten, harte Materialien, kurze Nachhallzeiten, weiche Materialien. Für den Raum an sich ist dieser Wert ohne Belang. Wesentlicher erscheint mir das Streben nach akustischer Harmonie, also dem ausgewogenen Zusammenwirken von Lautstärke, Wortverständlichkeit, Schallmaskierung, Privacy, Kommunikationstechnik, Schallstreuung und -unterbrechung und eben auch Absorption und damit geringer Nachhall.

Im Durchschnitt verbringt jeder Büroangestellte etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit mit Tätigkeiten, die erhöhte Aufmerksamkeit fordern. Kommunikation beansprucht die zweite Hälfte. Wie lässt sich ein Kompromiss zwischen Kommunikation und Konzentration realisieren?
Das alte Prinzip von Öffnen und Schließen gelingt heute immer besser durch flexible, veränderbare Systeme, die leicht zu bedienen sind. Auch Mehrzweck und differenzierte Verwendung spielen zunehmend eine größere Rolle. So verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich setzen sie die ihnen bereitgestellten Veränderungsmöglichkeiten ein. Leuchten können durchaus auch Lautsprecher sein. Nahezu jedes Material könnte eine absorbierende Vorderseite und eine reflektierende Rückseite aufweisen.

Der VDI 2569 gilt als ein wichtiges Regelwerk für „Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro“, die überarbeitet wurden und in diesem Jahr erschienen sind. Welches sind die wesentlichen neuen Kriterien?
Erstmals empfiehlt die DIN akustische Qualität eines Büros durch Mitarbeiterbefragung zur ökonomischen Erfassung akustischer Problemzonen zu ermitteln. Das Regelwerk benennt geeignete raumakustische Zielgrößen für Büroräume, vor allem für Mehrpersonenbüros. Es wird auch empfohlen, Nachhallzeit nicht mehr als alleinige Kennzeichnung für akustische Raumqualität anzuführen. Stattdessen nehmen Ablenkungs- und Vertraulichkeitsabstand mehr an Bedeutung zu.

Welche Gewichtung haben die unterschiedlichen akustischen Raumelemente?
Meist sind es gestalterische Herausforderungen der Schallabsorption, zumindest bei der Arbeit. Senkrechte Flächen sind meist wirksam bei Sprache entsprechend der Sprechrichtung; Nachhallreduzierung gelingt unter Einbezug waagerechter Flächen gut, besser auch an der Decke als auf dem Boden. Mittlerweile ist Mobiliar mit entsprechender Ausstattung der Oberflächen in den Rang akustisch wirksamer Elemente aufgestiegen und lässt sich sehr gut kombinieren mit Bauteilen und deren Wirkung.

Geräusche haben eine räumliche Dimension. Inzwischen kann man Akustik virtuell erleben mittels VR-Brille. Dabei können akustische Elemente in den Raum integriert und die Hörbarkeit eines Raumes verändert werden. Haben Sie dieses Verfahren schon einmal getestet?
An der Hochschule sind diese Verfahren schon im Einsatz. Entscheidungsprozesse können mittels Virtual Reality verkürzt und mit allen Beteiligten effizient begleitet und herbeigeführt werden. Sobald Bauherr, Planer und Ausführende zeitgleich und mit gleichen Systemen versorgt sind, werden Vorstellungen erlebbar und können per Screenshot festgehalten, dokumentiert und unterzeichnet werden. Digitalisierung kann damit einen wesentlichen Beitrag leisten, damit Akustik simultan erlebbar wird.

Herr Prof. Schricker, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Kelly Kelch.

Prof. Dipl. Ing. Rudolf Schricker Ehemaliger BDIA-Präsident und 24 Jahre im Präsidium des... mehr

Prof. Dipl. Ing. Rudolf Schricker


Ehemaliger BDIA-Präsident und 24 Jahre im Präsidium des BDIA, studierter Innenarchitekt und Designer an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste, seit 1984 Konzerthausarchitektur und Kulturbauten, seit 2001 Professor für Innenarchitektur an der Hochschule Coburg unter anderem für das Lehrgebiet „Der menschliche Raum“ mit Lehrschwerpunkt „Akustik – Design“ und Vorsitzender des Vereins „Mensch & Raum, Design & Forschung“ und did-Institut Innenarchitektur+
Design. Er ist Initiator der Coburger Clang Clausur und der Ausstellung Clang Parcours sowie Autor des Buches „Kreative Raumakustik“. Zudem entwickelte er die Konzeption für den Experimentalfilm „Sinn für Raum“ mit Unterstützung der Filmakademie Ludwigsburg.

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