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Grenzen überschreiten

Ein Gespräch mit Hadi Teherani über Autokennzeichen, ein Vogelhaus und den Genius Loci

CUBE: Herr Teherani, Sie sind seit über 30 Jahren ein überaus produktiver Architekt. Blicken wir... mehr
CUBE: Herr Teherani, Sie sind seit über 30 Jahren ein überaus produktiver Architekt. Blicken wir mal zurück: Wodurch wurde Ihr Interesse am Bauen geweckt? Wann war Ihnen klar, dass Sie Architekt werden wollen?

Hadi Teherani: Mein Plan war von Anfang an, zu gestalten und das Leben der Menschen auf diesem Weg zu bereichern. Ich hatte mich für die Studiengänge Architektur und Grafik Design beworben, wurde bei beiden genommen und habe anschließend einen Groschen geworfen. Der Groschen hat sich für Architektur entschieden. Form hat für mich immer einen Inhalt und eine Funktion. Bei einem Bucheinband z. B. oder der Schrift von Autokennzeichen geht es um viel mehr als um die Übermittlung einer reinen Information. Unsere Autokennzeichen in Deutschland zielen seit der Zeit der RAF vor etwa 40 Jahren auf Erkennbarkeit in großer Distanz, auf Maschinenlesbarkeit, angeblich sogar darauf, Fälschungen zu erschweren. Diese sogenannte FE-Schrift wird deshalb als fälschungserschwerende Schrift bezeichnet – aus der Drei kann man schwerer mit schwarzer Farbe eine Acht nachmalen, der Buchstabe „O“ wird unwiderruflich zum Osterei –, um Delikte oder sogar Straftaten leichter verfolgen zu können. Dazu wurden Schrift und Zahlen von einem renommierten Schriftgestalter nach dem Pflichtenheft der Bundesanstalt für Straßenwesen konsequent verunstaltet. Vermutlich deshalb hält sich die weltweite Verbreitung dieser sehr einseitigen Idee in engen Grenzen. Ganz ähnlich ergeht es heute Architekten bei der Gestaltung von Wohnraum. Die besten Ideen scheitern an den Pflichtenheften von Behörden. Gestaltung lässt sich eben nicht schadlos auf enge einseitige Vorgaben fokussieren.

Auch im Produktdesign sind Sie sehr erfolgreich. Ist der Entwurf von Möbeln, Leuchten, Teppichfliesen oder Türbeschlägen eine logische Folge Ihres ganzheitlichen Anspruchs, nicht nur die Hülle, sondern den Raum zu gestalten? Beeinflusst die Architektur das Design und umgekehrt?

Ja, sie nehmen meine Antworten vorweg. Ganzheitliches Denken wie bei bei den progressiven Architekten damals im Bauhaus gilt auch für uns. Wir kennen keine Grenzen zwischen Architektur, Design und Interieur. Die Übergänge sind fließend. Nur mit der Zielsetzung einer allumfassenden Harmonie ist es möglich, großartige Räume zu schaffen. Dazu gehören die Raumproportionen ebenso wie der Bodenbelag oder die Einrichtung. Wenn man so will auch die Schrift auf dem Straßenschild oder der Bushaltestelle. Letztlich findet der Aufgabenbereich des Gestalters auch an den Stadtgrenzen noch kein Ende.

Keins Ihrer Gebäude sieht gleich aus. Viele Bauten wie das Dockland, der Berliner Bogen, das Lofthaus am Elbberg und die Tanzenden Türme in Hamburg oder die Kranhäuser in Köln haben eine unverwechselbare Gestalt. Sie werden gerne als spektakulär bezeichnet, wenn man aber genauer hinschaut, erkannt man, dass sie sehr subtil und passgenau auf ihren jeweiligen Standort zugeschnitten sind. Wie nähern Sie sich diesem Genius Loci ganz konkret an? Verbringen Sie dort Zeit und lassen sich inspirieren?

Der Entwurf ist in seiner Umgebung schon verankert und aufzuspüren. Man muss ihn nur finden und erkennen. Das ist meine ganze Arbeit. Das Grundstück wird analysiert, die Fragestellung des Grundstücks verdeutlicht. Anschließend wird die Antwort gesucht. Jedes Grundstück stellt andere Fragen. Ganz wichtig dabei ist aber auch, allumfassend in die Zukunft zu sehen, um den großen Investitionen, die für Gebäude nun einmal nötig sind, lange Phasen der Nutzung, Nachfrage oder noch besser Beliebtheit und Bewunderung gegenüberzustellen. Ein Architekt darf sich nicht in Sackgassen locken lassen. Wir erinnern uns zum Beispiel an die fatale Idee, die Raumhöhe zu begrenzen, um Heizungskosten zu sparen und Wohnungen zu bauen, in denen inzwischen niemand mehr leben möchte. Dieselbe Thematik wiederholt sich gerade bei den Parkhäusern, deren intelligente Umnutzung mit zu niedrigen Geschosshöhen zu kämpfen hat. Bauinvestitionen sind möglichst weitsichtig zu gestalten. Leerstand und vorzeitiger Abriss sind die teuersten Varianten falsch verstandenen Sparens.

Bekannt wurden Sie mit einem exklusiven Autohaus in Hamburg, dass sich durch eine innovative Glasfassade auszeichnete. Fassaden aus Glas und Stahl in großer Variationsbreite prägen viele Ihrer Bauten. Letztes Jahr haben Sie für die Fassade eines Ensemble aus Büros, Hotel und Wohnungen, dem Flare of Frankfurt, ein neuartiges keramisches Material verwendet. Wie kam es dazu und was reizte Sie daran?

Glasfassaden kommen aus dem Gedanken, möglichst viel Licht in das Innere des Gebäudes zu lassen, Energie zu sparen und möglichst viel Interaktion zuzulassen. Nur wenn ein Fenster vorhanden ist, habe ich außerdem die Möglichkeit, mit Licht und Luft zu spielen, bis hin zur absoluten Verdunkelung. Eine geschlossene Wand bleibt unwiderruflich eine geschlossene Wand. Ein Autohaus ist vor allem ein Schaufenster, Transparenz, sonst kann man die Ware nicht sehen. Für Car and Driver habe ich die erste punktgehaltene Fassade entwickelt, um den exklusiven Autos eine faszinierende, voll verglaste, scheinbar offene Bühne zu schaffen. Beim Flare of Frankfurt wollten wir, dass die Fassade Tiefe und Plastizität bekommt, eine gewisse Dreidimensionalität, um mit der historischen Umgebung vor allem des Thurn ’n Taxis Palais zu korrespondieren.

Sie haben neben zahlreichen Bürogebäuden in vielen Orten ein Einkaufszentrum in Hamburg, einen Bahnhof in Frankfurt, ein luxuriöses Apartmenthaus in Teheran, eine Universität in Abu Dhabi, einen riesigen Wohnkomplex in Moskau und ein 240 m-Hochhaus in Dubai gebaut. Gibt es eine Bauaufgabe, die Sie gerne einmal realisieren würden?

Mein großer Traum ist, eins meiner Projekte für Living Bridges zu verwirklichen. Dabei geht es darum, eine Stadt um einen ganzen, komplexen Stadtteil über das Wasser hinweg zu erweitern, mit getrennten Ebenen für das Flanieren und Radfahren auf der Brücke und dem Autoverkehr mit Parkraum darunter. Aus einer langweiligen Straßenbrücke vor allem für Autos wird so eine lebendige Stadtbrücke für die Menschen, die dort leben und arbeiten, sicher auch ein Anziehungspunkt für Touristen.

Sie haben sich schon früh mit Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in Ihren Bauten auseinandergesetzt. Wann bauen Sie Ihr erstes Holzhaus?

Ich habe schon einmal ein Haus mit einer Holzkonstruktion gebaut. Das Firmengebäude für den Leuchten Designer Tobias Grau in Rellingen. Gerade haben wir an einem Wettbewerb teilgenommen und ein komplexes Bürogebäude ebenfalls mit einer Holzkonstruktion entworfen. Unser kleinstes Haus, ein Vogelhaus für Garpa, ist komplett aus Holz.

Herr Teherani, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Bettina Schön.

Hadi Teherani

1954 in Teheran geboren, aufgewachsen in Hamburg, ist ein vielfach ausgezeichneter deutscher Architekt und Designer. Seine Arbeit vollzieht sich in jeder Beziehung grenzüberschreitend, jenseits von Nationalitäten und Fachdisziplinen. Ein E-Bike, ein Konferenztisch, Ledersitzmöbel, eine modulare Küche, Leuchten, Showrooms und Flagship Stores gehören ebenso zum Werkverzeichnis wie Hochhäuser, Unternehmenszentralen, Behörden, Einkaufswelten, Börsen, Bahnhöfe, Schulen und Universitäten. In den letzten Jahren sind vor allem innovative Konzepte für einen nachhaltigen urbanen Wohnungsbau entwickelt und realisiert worden.

(Erschienen im CUBE Magazin 03|20)

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