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Ein radikaler Freidenker

Ein Gespräch mit Alexander Brenner über Bauherren, Handwerker und die Zukunft der Villa

CUBE: Sie sind bekannt für Ihre außergewöhnlichen Villen, die in ihrer gestalterischen... mehr
CUBE: Sie sind bekannt für Ihre außergewöhnlichen Villen, die in ihrer gestalterischen Konsequenz ihresgleichen suchen. Und Sie bauen fast nur Villen. Wie kam es dazu? Und was reizt Sie bis heute so an dieser Bauaufgabe?

Alexander Brenner: In den ersten Jahren meiner Tätigkeit haben wir nahezu alle Aufgaben, die man als Architekt bearbeiten kann, ausgeführt. Von städtebaulichen Konzepten über Industriebau, Wohnungsbau, aber auch viele Innenarchitekturprojekte wie Läden und Gaststätten. Nach einiger Zeit zog ich Bilanz und musste feststellen, dass vor allem einige der Innenraumprojekte durch Besitzerwechsel oder Weitervermietung bereits wieder ausgebaut wurden. Diese Kurzlebigkeit, wie sie auch heute im Hochbau üblich ist, bei der bereits viele Neubauten auf eine Lebenszeit von 20–25 Jahren ausgelegt sind, erscheint mir als die größte Ressourcenvernichtung überhaupt. Da ich für uns keinen Sinn darin sah, an solchen Verfahren teilzunehmen, entschied ich mich, fortan nur noch Bauvorhaben zu planen, bei denen eine dauerhafte, solide Bauweise gewünscht ist und dies war nun mal das Wohnhaus für den privaten Bauherrn.

Ist Stuttgart der ideale Ort für eine Villa?

Gerade hier gibt es teilweise über 100 Jahre alte Bebauungspläne, die das Bauen in den Hanglagen auf eine überbaute Grundfläche von 20 Prozent beschränken. Diese Planung geht auf Theodor Fischer zurück und es war das Ziel, neben der verdichteten Kessellage grüne Hänge zu erzeugen. Seine Intention des grünen Stadtrands funktioniert bis heute und ist wegen des Luftaustauschs durch den Kaltluftabfluss in den Kessel heute wichtiger denn je. Deshalb ist der Typus der Stadtvilla in diesen Lagen von Stuttgart auch sehr sinnvoll. Zudem gibt es auch hier Bauherrinnen und Bauherren, die sich für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Bauweise begeistern und für die das Wort Baukultur nicht wie ein Fremdwort aus vergangener Zeit erscheint.

Eine Brenner-Villa ist immer ein Gesamtkunstwerk, denn Sie planen nicht nur das Haus, sondern auch die Innenausstattung sowie die Außenanlagen bis ins kleinste Detail. Diese Radikalität braucht sicher besondere Bauherren und besondere Handwerker. Sprechen wir erst über die Bauherren: Wie finden Ihre Vorstellungen und die Wünsche der späteren Nutzer zusammen?

Ja, wir planen gern Gesamtwerke, weil uns das ermöglicht, maßgeschneiderte Häuser für unsere Bauherren zu fertigen und auch unsere Bauherren genießen es sehr, nur einen Ansprechpartner für alle Fragen zu haben. Das Ineinandergreifen von all diesen Belangen ermöglicht es uns, fernab von Standardlösungen zu arbeiten und dadurch eine größere Ruhe, eine Feinheit und eine bessere Funktionalität zu erreichen. Dies betrifft vor allem auch die Integration von technischen Einrichtungen in den Innenausbau und erlaubt es uns, scheinbar widersprüchliche Dinge wie zum Beispiel eine offene und geschlossene Küche zu realisieren. Wir machen einfach beides, etwa mit großflächigen Schiebeelementen, die bei Nichtgebrauch in der Wand verschwinden. So haben wir große Freude daran, Wünsche unserer Bauherrschaft zu erfüllen, die sie bis dahin für nicht realisierbar hielten. Wir bauen „für“ unsere Bauherrschaft und realisieren deren Träume, verstehen uns aber auch als deren Partner und Berater, sodass wir das Leben in den Häusern und deren Entwicklung mitplanen.

Und wie finden Sie die besten Handwerker, die Ihre Leidenschaft für Perfektion teilen? Nach welchen Kriterien wählen Sie Materialien oder Produkte aus?

Wir planen mit gesunden, dauerhaften, echten und alterungsfähigen Materialien und Produkten, die von fachkundigen, engagierten Handwerkern verarbeitet und eingebaut werden. Durch die langjährige Tätigkeit haben wir einen Handwerkerstamm gefunden, der unsere Leidenschaft für die Qualität, aber auch für das Gute und Schöne teilt. Viele Handwerksfirmen möchten gerne mit uns arbeiten und an dieser Art von Projekten teilhaben und so kommen immer wieder neue, hervorragende Firmen hinzu, die sich zunächst bei Teilaufgaben profilieren und bewähren dürfen und dann gegebenenfalls immer mehr für uns machen.

Die großartig fotografierten Bilder Ihrer Villen vermitteln die Großzügigkeit des Wohnens, das Eingebettetsein in die Landschaft und die weiten Ausblicke. Aktuell wird darüber diskutiert, wie wir auch im Bauwesen weniger Fläche, Material und Energie verbrauchen können. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der Villa? Würde es Sie reizen, auch mal in der verdichteten Stadt auf 80 m² räumliche Qualitäten zu entwickeln?

Das große Einfamilienhaus oder die Villa sind sicherlich nicht der Bau­typus, mit dem man aktuelle Herausforderungen umfänglich lösen könnte. Jedoch sind sie ein Ort, an dem in hervorragender Weise Bautechniken entwickelt werden können und die dort gewonnenen Erkenntnisse auch in andere Bauaufgaben einfließen. So haben wir zum Beispiel bereits vor 25 Jahren das erste Wohnhaus ohne fossile Brennstoffe erwärmt, also zu einem Zeitpunkt, wo diese Techniken noch in ganz frühen Anfängen steckten. Unserem damaligen Bauherren war dieses Experiment durchaus bewusst, aber er war der Meinung, dass doch irgendjemand diese Technologie fördern müsse und sah sich hierin in der Verantwortung. Und auch heute arbeiten wir mit vernünftigen Baustoffen, die unabhängig davon, was von der Industrie angeboten wird, über eine sehr lange Zeit funktionieren.

So verzichten wir beispielsweise auf sehr fragwürdige Wärmedämmverbundsysteme, die vielen unumgänglich erscheinen, aber mittelfristig zu hohen Schäden und Folgekosten führen können. Mit unseren monolithischen Wandaufbauten erreichen wir energetische Werte, die weit besser sind als übliche WDVS-Konstruktionen und erreichen zudem ein baubiologisch einwandfreies und gesundes Wohnklima. Deshalb ist uns auch der private Bauherr so lieb, weil sich dieser nach ausführlichen Gesprächen selbst und frei entscheiden kann, zum Beispiel für Bauweisen und Materialien, die traditionell gut und richtig sind, aber nicht zwangsweise dem heute Üblichen entsprechen.

Selbstverständlich würden wir auch gerne unsere gewonnenen Erkenntnisse bei anderen, verdichteteren Bauaufgaben einbringen, aber hierzu brauchen wir eben den über den Tag hinaus denkenden, verantwortungsvollen Auftraggeber. Erste Schritte im Wohnungsbau haben wir bereits ausgeführt und im Moment haben wir vielfältige Aufgaben auf unseren Tischen, von verdichtetem Wohnungsbau über eine Hotelplanung bis hin zu einer Klinik. Auch wenn das private Wohnhaus unsere Leidenschaft bleiben wird, so sind wir für kommende, spannende Aufgaben offen, bei denen wir das „gute Bauen“ realisieren können.

Herr Brenner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Bettina Schön.

Alexander Brenner

studierte an der Universität Stuttgart und gründete zwei Jahre danach sein eigenes Atelier in Stuttgart. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt heute bei Villen und Wohnhäusern. Seine Arbeiten genießen höchste internationale Anerkennung und werden weltweit in Fachzeitschriften und Büchern publiziert. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise und das Goethe-Institut Deutschland zählt ihn zu den „10 besten Architekten Deutschlands“. Die Gemeinsamkeit bei all seinen Projekten ist eine integrierte Planung, die sowohl die Planung des Hochbaus als auch die räumliche Gestaltung, die Möbel- und Lichtplanung, aber auch die Außenanlagen in einer Hand vereint.

Fotos:

Zooey Braun
www.zooeybraun.de


(Erschienen in CUBE 03|20)

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