Dem Stau davonradeln
Weltweit setzen Metropolregionen auf Alternativkonzepte zum Autoverkehr
Mit dem Fahrrad zur Arbeit und zum Einkaufen, Fahrgemeinschaften mit völlig Fremden, eine kleine Chipkarte, die Zugriff auf ÖPNV, Mietautos und Fahrräder bietet: Weltweit entwickeln sich in den Metropolen clevere Konzepte, die eine gute Alternative zum privaten PKW bieten. Anstatt auf verstopften Straßen zu stehen und die Luft durch Abgase immer stärker zu verschmutzen, radeln Pendler dem Stau einfach davon.
Zum Beispiel in Kopenhagen. Hier ist Radfahren inzwischen eine Lebenseinstellung. Mehr als die Hälfte aller Bewohner der dänischen Hauptstadt fährt täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen. Bei Wind und Wetter. Ein gutes Beispiel, dem andere Metropolen folgen: "getting copenhagenized" ist im englischen Sprachraum zum Synonym dafür geworden, wie man eine Fahrradstadt wird.
Bereits 1910 gab es den ersten offiziellen Fahrradweg in Kopenhagen. Der Großteil des Fahrradnetzes ist in den letzten 25 Jahren entstanden. Auf einer Strecke von insgesamt 400 km Länge ziehen sich Radwege durch die Hauptstadt, alle Orte lassen sich sehr gut erreichen. Abgetrennt durch Randsteine vom fließenden Autoverkehr, mit extra markierten Fahrradspuren auf Kreuzungen, ist das Radfahren hier auch sehr sicher. Zudem nehmen die Autofahrer große Rücksicht auf den Radverkehr.
Die Kopenhagener lieben ihr Zweirad - ganz unabhängig vom Einkommen. Beliebt sind auch Lastenfahrräder: ein Viertel der Kopenhagener Familien mit zwei Kindern hat eins. Selbst Spitzenpolitiker radeln jeden Tag ins Parlament. Polizisten fahren Streife – mit dem Bike. Pflegekräfte auf Hausbesuchen erreichen ihr Ziel ebenfalls immer öfter mit dem Velo.
Auch in Amsterdam erfreut sich das Fahrrad traditionell großer Beliebtheit. Mit kaum einem anderen Verkehrsmittel lässt sich die Hauptstadt der Niederlande so einfach und schnell durchqueren, etwa 40 Prozent aller Fahrten werden in Amsterdam mit dem Rad zurück gelegt. Kein Wunder, innerhalb der Stadt umfasst das Radwegenetz mehr als 400 km, fast jede Hauptstraße ist beidseitig mit Radspuren ausgestattet.
Um dem täglichen Stau auf Londoner Straßen zu entkommen, setzen sich auch in England immer mehr Pendler auf das Rad. Die Stadt reagiert auf den Trend und baut sogenannte Cycle Superhighways: So wird ein Radschnellweg künftig von Ost nach West, ein zweiter von Süd nach Nord durch das komplette Stadtzentrum führen. Um Platz für die Bikes zu schaffen, wird nicht nur das bestehende Straßenbett erweitert – auch ein Teil der bereits vorhandenen Spuren für Autos kommt den Radlern zu Gute. Geprüft wird aktuell zudem, ob sich ein Teil der Radwege nicht einfach unter die Erde verlegen lassen könnte. Das Projekt London Underline sieht vor, brachliegende U-Bahn-Tunnel zu Fahrradstraßen umzubauen und in das Radwegenetz aufzunehmen. Die Vorteile liegen auf der Hand: die Radler wären sicher vor Unfällen mit Autos oder Bussen und unabhängig von Regen, Schnee und Glätte. Eine Strecke könnte beispielsweise zwischen Greenpark und Holborn verlaufen.
Weniger auf das Fahrrad als auf den öffentlichen Nahverkehr setzt hingegen Hongkong. Mit der etablierten Octopus Card, einer Karte im Kreditkartenformat, lassen sich bargeldlos Fahrkarten für alle öffentlichen Verkehrsmittel bezahlen. Mehr als 20 Millionen Karten sind aktuell im Einsatz. 95 Prozent der Bevölkerung Hongkongs nutzt die Karte – fast jeder Einwohner zwischen 16 und 65 Jahren. Auch bei den Touristen ist die Karte sehr gefragt, denn die Infrastruktur des ÖPNVs ist sehr gut: Das U-Bahn-System Mass Transit Railway verbindet die wichtigsten Stadtgebiete – ganz unabhängig von verstopften Straßen. Neben Minibussen und Taxen fahren seit 1904 die berühmten Doppeldecker Straßenbahnen durch Hongkong. Für wenig Geld lassen sich auf diesem Wege insbesondere kürzere Strecken innerhalb der Stadt schnell zurück legen. Um die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen zu können, muss einfach die Octopus Card auf ein Lesegerät gehalten werden, der Betrag wird automatisch vom Guthaben abgebucht. Inzwischen kann mit der Karte auch in Supermärkten, Fast-Food-Restaurants oder an Getränkeautomaten bezahlt werden.
Wer in New York City in Fahrgemeinschaften unterwegs ist, kommt nicht nur umweltverträglicher, sondern auch schneller ans Ziel. Dank sogenannter High-occupancy vehicle lanes stehen auf bestimmten Abschnitten unter der Woche extra Fahrstreifen zur Verfügung, die nur von Autos genutzt werden dürfen, in denen sich mindestens drei Personen befinden. Diese Fahrspuren sind zum einen weniger stark frequentiert, zum anderen ist auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit mancherorts höher. Erklärtes Ziel: Immer mehr Pendler sollen auf das eigene Auto verzichten, Fahrgemeinschaften bilden, das Taxi für Fahrten innerhalb der Stadt nutzen oder auf Bus und Bahn umsteigen. Denn Busse und Taxen fahren ebenfalls auf den High-occupancy vehicle lanes am Stau vorbei.