Gewächshäuser und Orangerien
Das Zusammenspiel von Altem und Neuem
Stuttgart ist eine der wenigen Städte in Europa, die mit drei Botanischen Gärten aufwarten kann: die zoologisch-botanische Wilhelma, der Botanische Garten der Universität Hohenheim und das Landesarboretum Baden-Württemberg. Hinsichtlich der Flora entfalten alle drei Gärten ihre ganz eigene Faszination. Betrachtet man deren Gebäudearchitektur, stechen die Bauten in der Wilhelma deutlich heraus. Hier vereinen sich nicht nur verschiedene Zeitepochen, sondern auch unterschiedliche Baustile. Von der Entstehung im Jahr 1846 bis heute sind auf etwa 30 ha beispielsweise Typologien aus der Region um Damaskus (Damaszenerhalle), aus Nordafrika (Maurisches Landhaus) oder aus heutiger Zeit (Amazonienhaus) zu finden. Letzteres Gebäude wurde nach den Entwürfen des Stuttgarter Architekten Carlo Weber von Auer Weber Architekten erst im Milleniumjahr eingeweiht. Um die aus dem Amazonas stammende Botanik artgerecht zu beherbergen, galt es eine Architektur zu entwerfen, die ganzjährig Temperaturen von mindestens 24 bis 28 °C und eine Luftfeuchtigkeit von etwa 80 Prozent aushält. Ermöglicht hat dies eine 13,50 m hohe Gebäudehülle aus lichtdurchlässigem Spezialisolierglas sowie eine Klimaanlage, die für eine ausreichende Befeuchtung der circa 30.000 m³ Luft sorgt. Zudem unterstützen 48 zusätzliche Leuchten die lichtarmen Wintermonate.
Eine prägnante und moderne Gebäudearchitektur, die jedoch kurze Zeit später zu einem Versicherungsfall avancierte. Es stellte sich heraus, dass das verwendete Glas beschädigt war und Dampf eintrat, sodass 2009 ein Komplettaustausch der Fassaden- und Überkopfverglasungen notwendig wurde. Bei dieser Verglasungsart werden mindestens zwei gegenüberliegende Seiten linienförmig, mit einem Neigungswinkel aus der Vertikalen von mehr als 10 Grad gelagert. Dabei muss die innere Scheibe die äußere im Bruchfall tragen können.
Das 1837 vom deutschen Architekten Karl Ludwig Wilhelm von Zanth geplante maurische Landhaus, hatte hingegen mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen. Die als Badehaus mit Orangerie vorgesehene Sommerresidenz für König Wilhelm des I., wurde ein finanzielles Fiasko, weshalb am Ende umdisponiert wurde und immerhin ein Wohngebäude mit angrenzenden Gewächshäusern entstand. Nach Zerstörung und original getreuem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg dient das Gebäude heute als reines Gewächshaus. Das im Maurischen Stil gehaltene Haupthaus wurde um vier Schaugewächshäuser ergänzt, die inzwischen 1.000 tropische und subtropische Pflanzen präsentieren. Als einziges vom Krieg verschonte Gebäude wurde 20 Jahre später die Damaszenerhalle, ebenfalls nach Entwürfen des Architekten von Zanth erbaut. Sowohl das maurische Landhaus als auch die Damaszenerhalle zeigen den in deutschen Gebieten selten zu findenden neomaurischen Baustil, dessen arabischer Einfluss sich unter anderem in den schlanken Säulen, den hufeisengebogenen Fenstern und geometrischen Stuckdekoren widerspiegelt.