Architektur des Unperfekten
Ein Kleinod im Hinterhof ohne Idylle
Lässt es sich auf 4,5 m Breite und 11 m Länge leben und arbeiten? Sehr wohl! Erstaunlich, was man so alles an Räumlichkeiten auf so schmaler Fläche unterbringt. Drei Stockwerke hoch ist das Haus im Hinterhof in der Münchner Au, grün getüncht schmiegt es sich an seinen großen Nachbarn an und behauptet seinen kleinen Platz wie selbstverständlich, als wäre es schon immer da gewesen. Tatsächlich haben gerstmeir inić architekten mit ihrem kleinen Gebäude einen großen Wurf gelandet. Mit diesem Hinterhofhaus schafften es die Architekten sogar auf die Shortlist für den DAM Preis 2017.
Es war kein klassischer Umbau, sondern der Bestand wurde fast komplett ersetzt. Vorher und nachher haben nicht mehr viel gemein, auch die Grundfläche wurde vergrößert. Die ehemals kleinen Fenster wurden durch große, im Erdgeschoss bis zum Boden reichende Doppeltüren und Fenster ersetzt. Auf das Flachdach wurde ein weiteres Geschoss aufgesetzt. Die große Überraschung wartet auf dem Dach. Durch eine Luke gelangt man auf die Wartungsplattform, die zweifelsohne ein riesiger Zugewinn für das Häuschen ist.
Die Flügel der großzügigen Fenster öffnen sich wie aufklappbare Fensterläden nach außen. Im Hinterhof, der naturgemäß wenig Sonne abbekommt, sind die Räume auf diese Weise mit viel Tageslicht versorgt und von der Dachterrasse kann man gar auf die umgebende Dachlandschaft schauen. In die Dachschrägen und in die beiden Stirnseiten sind ebenfalls große Fenster eingeschnitten, an der Vorderfront werden sie durch ein zur Wartungsplattform hin ausgerichtetes Oberlichtband ergänzt, das in die breite Brüstung eingelassen ist. Die Stockwerke sind durch eine schmale seitliche Treppe erschlossen. Auf jeder Ebene gibt es nur einen großen Raum ohne Trennwände und eine kleine Dusche mit Toilette. Geheizt wird unter anderem mit Holzkohleöfen, die an den mittig liegenden Kamin angeschlossen sind. Der Fußboden im Erdgeschoss ist ein fugenloser Sichtestrich, in beiden oberen Stockwerken ist ein edler Holzboden verlegt. Die Wände sind weiß verputzt – aber um nicht allzu perfekt daherzukommen, mit rau belassenen Backsteinflächen oder Wandteilen aus Sichtbeton durchsetzt. Alle drei Geschosse werden als Büro genutzt.
Ein schmales bepflanztes Band umfasst das Haus als „Rahmen“ und Abgrenzung zum gepflasterten Innenhof. Das Ergebnis ist ein Kleinod, ein bescheidener grüner Anbau – mit viel Charme trotz seiner Schlichtheit. Die Architekten, die ob der Bauvorschriften nicht so konnten wie sie wollten, bringen es auf den Punkt: „Wir bewegten uns bewusst immer auf der Gratwanderung zwischen Natürlichem und Künstlichem, Pittoreskem und charmlosem Hinterhofstyle.“
www.gi-a.de
Architekten:
gerstmeir inić architekten BDA
www.gi-a.de
Zimmerarbeiten:
MFR Bau und Zimmerei
www.mfr-bau.com
Fenster, Fenstertüren:
Bali-Bau, Liebl & Balfanz
www.bali-bau.de
Elektroarbeiten:
Elektro Forster
www.forster-elektro.de
Holzboden:
Gasteig Naturwaren
www.gesundbaumarkt.de
SiGeKo:
Ingenieurbüro Dipl. Ing. Funke
www.gwfunke.de
Statik:
Teuteberg Ingenieure
Telefon: 089 4395510
www.teuteberg-ingenieure.de
Fotos:
Florian Holzherr