Architektonische Spurensuche
Der Kölner Architekt Christian Schaller
„Architektur ist der Umgebung und den Menschen verpflichtet“, das ist der Anspruch, mit dem Christian Schaller seine Projekte von Anfang bis Ende plant. In seiner über fünf Jahrzehnte währenden Tätigkeit realisierte der heute 80-jährige Architekt eine Vielzahl an unterschiedlichen Gebäudetypen, größtenteils in Köln, immer wieder aber auch über Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Dass für Christian Schaller, der in Berlin geboren wurde und nach Stationen in Hannover und Karlsruhe schließlich auch sein Diplom in Berlin ablegte, die Stadt Köln einmal zur Heimatstadt wird, ist auf eine prägende Entscheidung im Jahr 1965 zurückzuführen. Schon für seinen Vater, Architekt Fritz Schaller (1904-2002), der nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Angebot Rudolf Schwarz’ annahm, an dem Wiederaufbau der stark zerstörten Stadt Köln mitzuwirken, wurde die Stadt im Rheinland schnell zu einer kreativen Lebens- und Wirkungsstätte. Als sein Büro 1965 mit dem Bau der Kirche St. Paulus im naheliegenden Neuss-Weckenhoven beauftragt wurde, holte der Vater seinen frisch diplomierten Sohn an seine Seite und ermöglichte ihm somit die erste Mitarbeit an einem Bauwerk. Es sollte mehr als eine Mitarbeit werden: Die Idee des extravaganten Betonfaltdachs entwickelte der junge Christian Schaller. Von diesem Zeitpunkt an wurde auch für den Sohn die Stadt Köln zum Lebensmittelpunkt. Seine eigene architektonische Laufbahn konnte nun beginnen.
Wird Christian Schaller gebeten, eine Auswahl seiner Arbeit zu treffen, nennt er allen voran das Wohnhaus auf der Hülchrather Straße, ein nach dem Krieg notdürftig instandgesetzter Bau aus dem Jahr 1907, der seit 1975 als Ruine leer stand. Das Projekt steht gleichsam für seinen stets unermüdlichen Einsatz und seine soziale Denkweise. Als 1988 eine Baugruppe das Haus zur Eigennutzung erwarb, gelang es Christian Schaller, die Eigentümer davon zu überzeugen, dass eine Ergänzung der Ruine im Sinne einer historischen Rekonstruktion nicht das Ziel sein könne. Er vertrat die Meinung, man könne nicht wie sonst üblich, die Kriegszerstörung einfach wegretuschieren – Krieg und Kriegseinwirkung sollten ablesbar bleiben. Die Entscheidung, die historische Substanz der Backsteinfassade mit einer filigranen Metall-Glas-Fassade und einem gewölbten Metalldach zu kombinieren, regt auch noch 40 Jahre später den Betrachter zur Diskussion um unseren baulichen Bestand an.
Immer in der Diskussion stehen auch Bahnhofsvorplatz und Domplatte – bis 2006 mit einer komplexen Treppenanlage aus den 1970er-Jahren verbunden. Als 1998 in einem Wettbewerb nach einem neuen städtebaulichen Konzept gesucht wurde, schlug Christian Schaller eine ebenso schlichte wie beständige Lösung vor. Beide Platzflächen sollten freigeräumt, einheitlich mit Granit ausgelegt und mit einer Stufenanlage verbunden werden. Er ließ sich von der Vorstellung leiten, dem Kölner Dom somit Raum zum Atmen zu geben: Die einfache räumliche Geste schien ihm eine adäquate Antwort auf das monumentale Bauwerk. Dass sich Großzügigkeit, Übersicht und Orientierung auch tief unter der Erde realisieren lässt, zeigt seit 2015 auch der U-Bahnhof Chlodwigplatz, in dem der Auf- und Abstieg für Fahrgäste zu einem beeindruckenden räumlichen Erlebnis wird.
Seine Devise, Gebäude für die Zukunft zu schaffen, übertrug Christian Schaller auch auf seine Wohnanlagen und gemischt genutzten Gebäude. Als er 2006 einen 1950er-Jahre Bürobau in der belebten südlichen Innenstadt sanierte, ergänzten sich seine Ansprüche hervorragend mit den Anforderungen des Wettbewerbs: Wohnen und Arbeiten in gehobener, innerstädtischer Lage gehöre erfahrungsgemäß in die Zukunft einer Gebäudetypologie. Für heutige Wohnquartiere oft unvorstellbar ist die Geräumigkeit des Beethovenparks, den Christian Schaller 1994 gemeinsam mit seinem früheren dt8-Partner Ulrich Coersmeier geplant hat: Der Wohnpark mit 382 Wohnungen, Praxen und Servicezentrum erreicht trotz hoher Dichte den Eindruck einer offenen Bebauung, die von autofreien Wegen, üppiger Begrünung und einem See bestimmt wird – Rücksichtnahme auf Bewohner und Umgebung: Das zeigt Christian Schaller bis heute mit seinen vielen Bauten. Zahlreiche Auszeichnungen im Laufe der Jahre bescheinigen das.
Christian Schaller
Geboren 1937 in Berlin. 1965 Diplom der Architektur an der TU Berlin. 1965-1971 Mitarbeit im Büro seines Vaters Fritz Schaller. 1971-1991 Gründer und Gesellschafter der dt8 – Planungsgruppe. Seit 1992 Schaller/Theodor, Freie Architekten und Stadtplaner AKNW. Seit 2017 Schaller Architekten Stadtplaner BDA.
Tätigkeiten und Mitgliedschaften im Haus der Architektur/HdAK (Gründungsmitglied, Vorsitzender von 2011-2014), im BDA Köln (Vorsitzender 1992-2007), im Deutscher Werkbund NRW, als Gründungsmitglied im Architekturforum Rheinland und im Trägerverein Alte Feuerwache/BAF.