Gespür für Vergangenheit und Gegenwart
Ein Atelierhaus in der Lübecker Altstadt
Schon seit 1987 ist Lübeck mit seinen Schätzen aus über 850-jähriger Stadtgeschichte und erhaltener vorindustrieller Bausubstanz Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Das Holstentor, die Petrikirche, die Doppeltürme der Marienkirche und die Lage der Altstadt zwischen den Flüssen Trave und Wakenitz erzählen noch heute von der stolzen Hansestadt. In den engen Gassen der Altstadt stehen Gebäude von der Gotik bis zur Gründerzeit nebeneinander. Wer hier neu baut, braucht Fingerspitzengefühl und Mut, um Vergangenheit und Gegenwart gerecht zu werden.
Dem Lübecker Architekten Uwe Ellinghaus gelang dies mit einem neuen Atelierhaus zum Wohnen und Arbeiten in der Wakenitzmauer. Der Straßenname erinnert an die ursprüngliche Stadtmauer, die die Altstadtinsel im Mittelalter umgab. Die Gestaltungssatzung der Lübecker Bauordnung gibt klare Richtlinien für Neubebauung bzw. Änderungen an Bestandsgebäuden vor: Dies betrifft z.B. die Breite von Giebeln oder die Ausbildung von Lochfassaden, die Farbgestaltung oder das Dach. Somit spielten die Überlegungen zur Berücksichtigung der typischen Merkmale eine zentrale Rolle bei der Planung des neuen Gebäudes.
Das direkte Umfeld ist geprägt von klassischen Lübecker Wohnhäusern, die ca. 200 bis 500 Jahre alt sind. Die Anzahl der Geschosse wechselt – bei unterschiedlichen Geschosshöhen – von zwei bis vier plus Dach. Eine Zeile von Gründerzeithäusern bildet die gegenüberliegende Straßenseite. In der Auseinandersetzung mit dieser baulichen Struktur und innerhalb der engen Grenzen des Baugrundstücks von 91 m² Fläche sollte im neuen Haus weitestgehende Privatheit und Großzügigkeit, Offenheit und Licht in Einklang gebracht werden.
Die Erschließung erfolgt über ein zentrales, elliptisches Treppenhaus. Zwischen Diele und offener Küche führt eine gewendelte Treppe ins erste Obergeschoss. Vom offenen Galerieraum blickt man über die Brüstung in den Innenhof. In der anderen Richtung sieht man über schräggestellte, bodentiefe Fenster auf die Gründerzeitfassaden gegenüber oder in die Straßenflucht – ein Zitat der von der Orthogonalität abweichenden Altstadtfenster. Im Bad dient eine knietiefe Absenkung im Boden, wie die Wände mit Mosaikfliesen verkleidet, als Dusche und Badewanne. Durch das Badezimmer und das Treppenhaus gelangt man auf eine sonnige Dachterrasse. Der Wendeltreppe ins Dachgeschoss folgend schließen sich ein weiteres Bad und ein Atelierraum mit 4 m Höhe im First an. Die Reduktion auf wesentliche Bestandteile kennzeichnet alle Räume.
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