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Jedermanns Kreuz

Gebaute Grunderfahrung des Menschen

Sakralbauten zu entwerfen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn ganz gleich, ob es sich um eine... mehr
Sakralbauten zu entwerfen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn ganz gleich, ob es sich um eine Kirche, Moschee oder Synagoge handelt: Die Gebäude müssen nicht nur bestimmten funktionalen Ansprüchen genügen, sondern auch atmosphärisch ansprechen und als spiritueller Raum überzeugen, sie müssen Inhalte vermitteln und sollen Emotionen wecken. Im Falle der Wiesbadener Feldkapelle musste der Architekt Hans-Peter Gresser noch weitere Aspekte bedenken: Auf Wunsch des Bauherrn, der Wiesbadener „Stiftung Matth. 7,12“, sollte die Kapelle überkonfessionell sein und Menschen jeder Überzeugung und jeden Glaubens zum Aufenthalt einladen und den Charakter eines Meditationsortes in der Natur mit einem christlichen Zeichen haben.

Eine klassische Kapelle mit überdachtem Raum für eine Heiligenfigur oder Votivtafel mit Blumenschmuck kam also keinesfalls in Frage. Die unterschiedlichen Ansprüche und Zielsetzungen wurden daher auf vielfältige Weise in Formensprache und Materialwahl umgesetzt. Dabei entstand ein Ensemble aus Kreuz, Pilgerweg und Andachtsgebäude, das sich an der Ästhetik der Einfachheit und der Leere orientiert und bei dem Schlichtheit und Stille das Konzept und die Idee bestimmen.

Das christliche Element findet sich in dem für jedermann von weitem sichtbaren Passionskreuz: Das Kreuz sollte dabei nicht als Accessoire oder additives Element aufgefasst werden, wie es bei vielen Kapellen und Kirchen der Fall ist, sondern als integraler und unveräußerlicher Bestandteil der Baufigur. Darüber hinaus spiegelt es Gressers persönliche Deutung vom Kreuz wieder. Er begreift es nämlich nicht mehr als das senkrechte Kreuz der Kreuzzüge und des Triumphes, sondern als „Passionskreuz, das Kreuz, das wir auf dem Rücken tragen. Und das trägt jeder Mensch, unabhängig von seinem Glauben. Es steht für das Kreuz unseres alltäglichen Lebens, unter dem wir leiden – das Kreuz der Krankheiten, der Arbeitslosigkeit, das Kreuz der Einsamkeit, das Kreuz, das wir auf uns nehmen, jeden Tag.“

Aber noch in anderer Hinsicht scheint das Kreuz geradezu philosophische Einsichten auszudrücken: Da die Stahlskulptur aus verschiedenen Richtungen, Höhenlagen und Entfernungen gesehen wird, ergeben sich immer neue Horizonte, Blicklinien und Sichtbezüge, die mit jeder Bewegung wechseln. „Jeder Schritt bietet eine neue Perspektive, doch keine erlaubt das Werk als Ganzes zu überblicken“, so Gresser. Das Material des Kreuzes steht dabei für Beständigkeit und Vergänglichkeit gleichzeitig. Es wurde aus Corten-Stahl angefertigt, der seinen nachhaltigen Schutz aus seiner Rostschicht bezieht. Das scheinbar Vergängliche führt hier also zu Unversehrtheit und Dauerhaftigkeit. In der Tradition „hortus conlusus“ (geschlossener oder verschlossener Garten) befinden sich Kreuz und Kapelle in einem Garten, der sich von der Außenwelt abgrenzt. Wie bei einem Kloster, einem Rückzugsort oder Schutzraum umgeben Trockenmauern aus heimischem Schiefer den Garten und schaffen eine Binnenwelt. Auf einem kleinen Platz mit Sitzgelegenheiten können Besucher sich ausruhen und sammeln. Von dort aus schreiten sie unter dem Kreuz hindurch zum gläsernen Andachtsraum. Ein Weg, der die volle Aufmerksamkeit und ein bewusstes, konzentriertes Gehen erfordert. Denn der ansteigende Pfad ist grob und holprig gepflastert.

Am Ende des Weges, der an die „Via Dolorosa“ oder einen Pilgerweg erinnert, und auf dem man auch unter der Kreuzskulptur entlanggeht, gelangt man in den nach Osten ausgerichteten Andachtsraum. Der Kubus aus Glas wiederum erinnert an eine Kaaba, eröffnet damit einen weiteren Glaubens- oder Religionsraum und ist der dritte Teil der Komposition aus Kreuz, Weg und Andachtsraum. Konsequenterweise findet sich im Glaskubus kein religöses Symbol, sondern lediglich eine hinterleuchtete Glasnische zieht den Blick auf sich: Ein senkrechter Streifen in Dunkelblau steht hier für den Nachthimmel, einer in Rot für den Sonnenaufgang.

In Anlehnung an die japanische Tuschmalerei wurde der Raum bewusst als leerer Raum konzipiert. Er ist wie ein Gefäß, das die Gedanken der Menschen aufnimmt, denn so Gresser: „Leere ist nicht charakterisiert als Nichts, sondern als etwas, was erst noch mit Inhalt gefüllt wird, eine leere Schale. Glaube ist ein Zwiegespräch zwischen dem Unbegreiflichen, Mystischen, Nichtdarstellbaren mit dem Menschen. Dieses Zwiegespräch wird durch die Leere des Raums zum Ausdruck gebracht.“ In diesem Raum kann man einfach sitzen und nichts tun, beten, meditieren, der Natur lauschen, ruhen. Auch Gebetsteppiche dürften ausgerollt werden, sagt Gresser. Denn die Feldkapelle versteht sich als offener Ort, die er bewusst so transparent gestaltet hat, und die, so Gresser, aufgrund ihrer Durchsichtigkeit „eine Osmose mit der Natur, mit der Schöpfung zulässt.“

Zur Entstehung des Bauwerks ist eine Publikation erschienen: Die Kapelle im Feld, Verlag Henrich Editionen, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-921606-92-6.

www.gresser-architects.com
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Gresser Architekten 
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Fotos

Gresser Architekten / Alexandra Repp
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