Kreativität in der Veränderung
Ein Gespräch mit der neuen Planungsdezernentin Cornelia Zuschke über mehr Bürgerbeteiligung, Hochhäuser und gemeinsame RaumwerkD-Stadtperspektiven bis 2030
CUBE: Als Sie vor anderthalb Jahren das Amt als Dezernentin für Bauen und Planen annahmen, waren Sie ja doch etwas zögerlich. Erst beim zweiten Mal haben Sie dem Angebot der Stadtspitze nachgegeben. Bereuen Sie den Schritt?
Cornelia Zuschke: Keinen einzigen Tag bereue ich Düsseldorf! Es gibt kaum etwas Aufregenderes als den Gegensatz – und die Einheit – von Stadt und Flusslandschaft. Ich genieße aber auch sehr Düsseldorfs Dynamik und Attraktivität, die vieles möglich macht, worum man anderenorts Investoren lange bitten muss. Ob das nun gemischte Wohnformen sind oder städtebauliche Verträge mit social return – da gibt es vieles, was hier einfach selbstverständlich ist. Diese Dynamik schreit geradezu danach, konzeptionell zu arbeiten. Nur deshalb war es mir möglich in relativ kurzer Zeit zwei Konzeptplanungen aufzustellen – das Mobilitätskonzept IMK2030 und das neue städtebauliche Konzept RaumwerkD.
Mit der Mobilität hatten Sie ja eigentlich gar nicht gerechnet.
Das ist allerdings wahr – ich hatte mich nach einem halben Jahr gerade so in den Städtebau eingearbeitet, da habe ich dieses Verantwortungsfeld noch dazu bekommen. Das ist kein Ruhekissen in der Pendler- und immer ja auch noch Industriemetropole Düsseldorf! Ich habe es schlussendlich angenommen, weil die Herausforderung auch die große Chance birgt, beides grundsätzlich zusammen zu denken. Ermöglicht wird das übrigens auch durch ein gutes Teamwork in den Ämtern, die fachlich – das muss ich jetzt einfach mal sagen! – sehr gut besetzt sind.
War es eigentlich Ihr Wunsch, dass es um Mobilität – und nicht wie bisher im Amt: Verkehr – geht?
Der geltende Verkehrsentwicklungsplan war schon vergleichsweise alt. Anstatt ihn linear fortzuschreiben, habe ich darauf gedrungen, dass wir das Thema Mobilität fokussieren. Damit waren wir übrigens knapp vor der Mobiliätswende-Diskussion, die nun in aller Munde ist! Im Rhein-Main-Gebiet, wo ich vorher tätig war, steht Mobilität auch schon länger auf der Agenda. Auch wenn NRW autogeprägter als manch anderes Bundesland ist, so ähneln sich doch die Herausforderungen. Auch in unserer Region haben die Menschen ein Mobilitätsgen und stehen Fortschritt und neuen Verknüpfungen offen gegenüber – da müssen wir ran!
Anfang März haben Sie das sogenannte „RaumwerkD“ vorgestellt – ein Verfahren, um eine integrierte Vision für die Stadt- und Mobilitätsplanung bis 2030 zu entwickeln. Warum setzten Sie dabei spürbar anders als Ihr Vorgänger auf den direkten Dialog mit den Bürgern?
Für mich ist eine Stadt lebendig durch ihre Bürgerschaft! Gerade die Bürger haben eine Kompetenz, die die Fachleute nie haben werden. Das ist diese „Morgens aus dem Fenster gucken, abends nach Hause kommen, Stadt fühlen und über Generationen leben, Stadtwohlfühl- aber auch Stadtängste“-Perspektive. Solche Emotionen müssen bei Stadtplanung mitspielen. Wir müssen die Schlüsselbereiche finden, in denen dieses bürgerschaftliche Engagement unmittelbarer als bisher einfließt. Wir machen das schon, indem wir bei Wettbewerben etwa ganz normale Bürger in die Jury losen – das ist nur eine oder einer von 630.000, macht aus der Jury aber eben keinen „closed job“ der Nur-Experten mehr. Auch bei Wettbewerben in den Quartieren betreiben wir die Gegenüberstellung der Planer mit den Menschen in den Vierteln. So wird aus gegensätzlichen Fronten besser etwas gemeinsames – das ist auch mein Anspruch!
Das „RaumwerkD“ soll in verschiedenen Etappen zu verschiedenen Schwerpunkten in den nächsten zwei bis drei Jahren vollzogen werden. Wie differenziert wollen Sie mit den Bürgern da kommunizieren?
In unterschiedlichen Handlungsfeldern wird es ganz unterschiedliche Beteiligungsformate geben. Wir werden jetzt das Hochhauskonzept angehen – da möchte ich BDA, freischaffende Architekten (VfA) und Architektenkammer beteiligen. In Expertenworkshops wollen wir auch Fachleuchte aus anderen Städten einladen, um so vom Scheitern und Gelingen zu profitieren. Und dann gehen wir mit Ideen an die Bevölkerung. Aber es wird auch noch ganz andere Beteiligungsformate geben. Zum Beispiel in Bereichen des Umgangs mit Freiflächen oder auch in der Frage, worin die Faktoren für starke Quartiere bestehen – darüber sollte man mit der Bevölkerung diskutieren, dafür braucht man mehr als allein wissenschaftliche Experten! Eine Form der abholenden Beteiligung soll es auch in den Schulen und Kitas geben – und auch an den Unis. Gerade diese Altersklasse betrifft die Zukunftsplanung ja – die stehen voll im Erwerbs- und Familienleben wenn es greift.
Welche Rolle spielen digitale Medien dabei?
Digitale Medien – und damit verbunden auch das Thema Smart City – werden sicher dabei eine wichtige Rolle spielen. Gerade beim Thema Mobilität sehe ich da sehr viel Potenzial! Einen allerersten Aufschlag haben wir dafür übrigens ja auch mit unserer Webseite raumwerkduesseldorf.de gemacht. Man kann dort seinen Ideen, Anregungen und auch seiner Kritik erst einmal ganz freien Lauf lassen. Weitere differenziertere Angebote werden folgen.
Auch auf der Auftaktveranstaltung konnten die Besucher schon ihre Kritik auf Kärtchen kundtun. Viele machten fleißig davon Gebrauch – manch einer äußerte aber auch die Befürchtung, dass alles am Ende verpufft unter dem Vorzeichen „Schön, dass wir drüber geredet haben.“ Kann man diese Befürchtung den Menschen nehmen?
Das wichtigste war mir erst einmal, dass wir den Prozess ohne spezifische Aufgabenstellung anstoßen: Allen soll klar sein, dass wir den Menschen nichts Fertiges vorsetzen, sondern auf Augenhöhe offen für ihre Wünsche, ihre kreativen Ideen und ihre Initiative sind. Wir befinden uns sozusagen auf Level -1! Wir sammeln alle Vorschläge und werten sie auch aus. Der Punkt ist: Wenn die Bürger an dem Prozess teilnehmen, ersetzen sie weder einen Experten, der mit seinem fachlichen Blick von außen Interessen und Bilder ordnet. Noch ersetzt das die Politik, die im Laufe des demokratischen Entscheidungsprozesses Verantwortung übernimmt und eine Handlungsvereinbarung für Qualität, Strategien und Prioritäten trifft. Die politischen Gremien können durch das Mitwirken der Bevölkerung aber am Ende doch auf einer ganz anderen Wissensbasis entscheiden. Wenn diese eingeschlafene Kultur des Sich-Artikulierens und Partizipierens wieder etwas in Bewegung kommt, ist schon viel gewonnen!
Düsseldorfs wachsende Bevölkerung steht vorne an sechster Stelle in Deutschland – in der Fläche bewegt sich die Landeshauptstadt im Bundesvergleich aber auf ziemlich kleinem Fuß – Platz 73. Bedeutet das für die Landeshauptstadt in Zukunft ganz zwangsläufig mehr Hochhäuser?
Es gibt nur eines, was zwangsläufig ist: Wir müssen über ganz unterschiedliche Typologien der Verdichtung nachdenken! Das Hochhaus ist da weder zu verdammen, noch ist es ein Allheilmittel. Es ist wie mit allen Dingen: Man muss es richtig zu gebrauchen wissen – sowohl, was den Standort angeht, als auch das Gebäude selbst, seine Architektur und sozialen Räume, sowohl innen als auch außen. Deshalb muss es bald auch um das Hochhauskonzept gehen, damit wir nicht Einzelentscheidungen vor die Gesamtperspektive stellen. Ich bezweifle, dass wir in Düsseldorf die Skyline von Frankfurt haben wollen – die Stadt hat einen ganz anderen Grundriss. Die Rheinschleifen erzeugen viele verschiedene Ansichten – das ist ein echtes Privileg, das kann man nicht einfach zumauern! Das schreit nach einer viel filigraneren Struktur, die ich gerne in Workshops mit Architekten aus der Stadt, aber auch von außen konkreter entwickeln möchte.
Sollte es denn einen neuen Hochhausrahmenplan geben?
Das Hochhauskonzept von 2004 ist aus meiner Sicht gut und kompetent aufgestellt – es bedarf sicher nur einer Fortschreibung, nicht einer Neuaufstellung.
Zunehmend entstehen in der Stadt neue Wohnhochhäuser – sind das gelungene Beispiele für zukünftige Entwicklungen?
Grundsätzlich denke ich, dass jedes Hochhaus etwas ganz wichtiges anderes ermöglichen muss: Freifläche – und zwar qualitätsvoll, keine Restfläche! Das was den Menschen mit dem Hochhaus „genommen“ wird, muss ihnen auch wieder in der Attraktivität des Freiraums und auch in der Vernetzung mit dem Quartier zurückgegeben werden. Wir müssen in Zukunft außerdem noch mehr die Unterschiede von Büro- und Wohnhochhäusern in der Typologie herausarbeiten. Die menschliche Übersetzung fehlt den Wohnhochhäusern meiner Ansicht nach noch zu oft – auch in Düsseldorf ist da noch Luft nach oben! Ich habe mir viele solcher Projekte in Europa angeschaut. Die Doppeltürme Bosco Verticale von Stefano Boeri in Mailand sind ein gutes Beispiel dafür, wie durch grüne nachhaltige Balkongestaltung aber auch individuelle Komponenten der Fassade eine eigene architektonische Wohnsprache entsteht, die am Ende auch viel weniger Ängste schürft und Identifikation stiftet. Mit den Rasterbauten der 1960er- oder auch den Großsiedlungen der 1970er-Jahre hat das jedenfalls nichts mehr gemein!
Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte ist viel Wohnen auf ehemaligen innerstädtischen Industrie- und Transportflächen entstanden. Erschöpfen sich diese Flächen zunehmend und rücken damit zwangsläufig andere innerstädtische Freiflächen – wie etwa die Kleingärten – in den Fokus?
Weder die Kleingärtner, noch die Siedler, noch die Stadtgesellschaft sollten irgendetwas befürchten! Ich glaube sehr, dass die Transformationspotenziale und Bauflächen in der bereits gebauten Stadt bleiben werden, wenn auch zukünftig in weitaus gemischteren Strukturen! Es gibt auch in Düsseldorf so ein großes Reservoir an Räumen, in denen das Potenzial von Mischnutzungen und Nutzungsüberlagerungen durchaus gegeben wäre, an die sich das Baurecht aus verschiedensten Gründen aber noch nicht herangetraut hat. Denken Sie nur an den Einzelhandel: Salopp gesagt haben wir vielerorts eine „Pappbox mit Parkplatzwüste“ – und doch sind doch da unendlich viele Flächenreserven, wo noch ganz anderes stattfinden könnte – etwa Wohnen oder die Verdichtung durch Überlagerung mit Gewerbe. Es geht bei der Transformation von Stadt nie darum, den erforderlichen Zuwachs einfach zu addieren. Die Kreativität in der Veränderung – noch mehr: der Mut zur Kreativität in der Veränderung – das war immer und bleibt auch heute der Schlüssel der Stadt von morgen. Dieses Wachstum aus sich selbst heraus – das braucht auch Düsseldorf!
Frau Zuschke, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Paul Andreas.