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Große und kleine Türme

Rotterdam entdeckt die Vielfalt des Wohnens in der City neu

Zugegeben, Rotterdam ist keine Stadt, in die man sich auf den ersten Blick verliebt. Gegenüber... mehr

Zugegeben, Rotterdam ist keine Stadt, in die man sich auf den ersten Blick verliebt. Gegenüber dem malerischen Amsterdam mit seiner 500 Jahre alten Grachtenromantik kann die 615.000-Einwohner-Metropole kaum ankommen. Auch wenn es eine Universität und renommierte Museen in der Stadt gibt – Rotterdam ist immer ein Ort geblieben, an dem in erster Linie gearbeitet wird. Ob im weltweit drittgrößten Seehafen, in den Unternehmens- und Finanzzentralen, die sich in nicht besonders hohen, aber doch umso wirkungsvoller verspiegelten Hochhäusern repräsentativ in Szene setzen oder aber in der flimmernden Kreativ- und Designszene, die in alten Leerstandsimmobilien residiert – die „Working-Sphere“ gibt den Takt dieser Stadt vor. Spätestens seit seinem Wiederaufbau nach der Katastrophe des deutschen Flächenbombardements im 2. Weltkrieg ist das „Manhattan an der Nieuwe Maas“ (so der Name des Flusses, der paradoxerweise nicht die Maas, sondern ein Seitenarm des Rheins ist) zugleich ein architektonisches Experimentierfeld par excellence: Vor allem die Nachkriegsmoderne mit ihren breitspurigen Magistralen, den Hochhausscheiben und den elaborierten Shoppingstraßen wie der berühmten, heute denkmalgeschützten Lijnbaan, haben der Stadt den Grundsound gegeben. Aber auch Projekte späterer Dekaden, die dem stadtverödenden Monofunktionalismus mit Gegenkonzepten begegneten, haben im Stadtgeflecht des Metropolraums Einzigartiges hervorgebracht. Rotterdam liegt der Wandel im Blut; die Bereitschaft, sich urban ständig neu zu erfinden, ist nirgendwo größer in den Niederlanden. Kein Wunder also, dass bekannte, global agierende Architekturbüros wie OMA, MVRDV oder Erick van Egeraat das lokale Laborklima als stimulierend empfinden und ihre Büros hier betreiben. In den letzten Jahren ist besonders die Innenstadt wieder in den Fokus der Planer geraten. Auch wenn Rotterdam mit seiner Skyline auf den ersten Blick geradezu hochverdichtet erscheint, wohnen in den neun Innenstadtbezirken gerade einmal halb so viel Menschen wie in den anderen Großstädten der Niederlande. Ein ambitioniertes Unternehmen ist das: Um die Innenstadt smarter, grüner und attraktiver zu machen, sollen bis 2040 zusätzlich rund 30.000 neue Bewohner in über 20.000 Wohnungen angesiedelt und viel zusätzliches Grün angepflanzt werden. Das bringt manche innerstädtische Brach- und Restfläche, für die sich bisher keine Verwendung finden ließ, erneut auf den Prüfstand und fördert zugleich ein Umdenken in einer größtmöglichen Vielfalt von Typologien.

Als die Finanzkrise noch nicht drohte, eroberten die ersten Wohnhochhäuser Rotterdams Skyline: Mit dem Red Apple schuf Kees Christiaanse 2008 auf dem Wijnhaven Island einen ikonischen, schlanken 40-Etagen-Wohnturm – mit seinem in ein nuancenreiches Rot eingefärbten Tragwerk, das von einer ungefärbten Paneelverkleidung aus eloxiertem Aluminium herrührt, spielte er auf den Big Apple Manhattans an. In dem innenstadtnahen Kop van Zuid, das vom ehemaligen Hafenareal in eine neue, glitzernde Hafenviertel umgewandelt wurde, steht zwischen umgenutzten Lagerhäusern, neuen Museen und Bürogebäuden der sandsteinfarbene New Orleans Tower von Alvaro Siza: Mit 158 m und 46 Etagen gilt es seit 2009 als das höchste Wohngebäude der Niederlande - eine Architektur, die mit amerikanischen Art-Deko-Skyscrapern kokettiert, inbegriffen. Schließlich liegt nebenan das Hotel New York, das in dem erhaltenen Jugendstilbau der ehemaligen Holland-America Line residiert. Am anderen Ende der Mole, gleich neben Ben van Berkels kunstvoll gestauchter Erasmusbrücke und Renzo Pianos blinkendem Toren op Zuid ragen seit neustem die dicht an dicht stehenden Stapelungen des De Rotterdam von OMA auf: Benannt nach einem bekannten Schiff der Holland-America Line, verdichten sie auf 160.000 (!) m2 den Funktionsmix einer vertikalen Stadt - ob Büros, Wohnungen, Geschäfte oder Restaurants - alles ist hier nach außen nahezu unsichtbar übereinander konzentriert. Was Rem Koolhaas in seinem legendären Buch „Delirious New York“ bereits 1978 als retroaktive Zukunftsvision formulierte, ist nun auch in seiner Heimatstadt Rotterdam erlebbare Realität geworden.

Wenn es um neue Wohnungen geht, denkt Rotterdam aber nicht nur in Türmen. So sind etwa MVRDV bis 2014 dabei, im Laurensviertel den bislang offenen Markt mit einer großen Tonnenstruktur zu überdachen. 228 Appartments sollen die Bewohner mit dem doppelten Ausblick über die Stadt und auf das bunte, öffentliche Treiben von über 100 Marktständen und Geschäften belohnen. Es geht aber auch um Nachverdichtungen im kleinen Maßstab, bei denen oft in Auseinandersetzung mit dem Bestand unkonventionelle Lösungen entstehen. Etwa wenn über einem alten, umgenutzten Fabrikgebäude ein Aufbau mit einem kleinen Dorf aus Satteldachhäusern aus Holz realisiert wird: Eingetaucht in ein euphorisches Himmelblau schwebt das Didden Village von MVRDV wie ein utopischer Hoffnungsstern über den Dächern des alten Stadtkörpers. Das dazugehörige Pendant dürfte ein Projekt sein, das in den in Rotterdam immer latent vom Grundwasser bedrohten Untergrund weist: Keine zwei Minuten von der gerade komplett erneuerten Centraalstation liegt die Garage einer ehemaligen Notarztstation. Dort wo Rettungswagen früher parkten und auf ihren Einsatz warteten, haben Doepel Strijkers zusammen mit Lex Architects ein Luxusappartment mit parkartigem Privatgarten und integriertem PKW-Parkplatz geschaffen: Über ein offenes, in ein leuchtendes Orange getauchtes Souterrainhalbgeschoss mit einer Wohnküche wurde ein zweites Geschoss so eingefügt, dass der Loftcharakter der Garage erhalten bleibt. Künstlich hinterleuchtete Polyurethan-Wände lassen mattes Licht in die Schlafzimmer - inmitten der Hektik des umliegenden Bahnhofsviertels eine kleine Traumwohnlandschaft. Charakeristisch für Rotterdam sind bei aller Hochhauskulisse die kleinteiligen Arbeiterwohnviertel mit den typischen, schmalparzelligen, mehrgeschossigen Stadthäuschen aus Vorkriegszeiten. Manche von ihnen sind heute in einem erbärmlichen Zustand – ihre geringe Größe ist oft nicht mehr zeitgemäß für heutige Platzansprüche. Die Stadtverwaltung ist dazu übergegangen diese Immobilien aufzukaufen und zu einem guten Preis an junge, begabte Unternehmer und Familien zu veräußern. Die Neubesitzer dieser „Kluswoning“ können die Grundrisse – unter oft nicht geringer Eigenleistung – ihren eigenen Wohnvorstellungen und individuellem Budget flexibel anpassen. Ein Vorzeigeprojekt sind die Umwandlungen von HP architecten, die unter dem Label „Eén Blok Stad“ drei Wohnungen im Westen der Stadt nach den Bewohnerwünschen individuell transformiert haben. Eine deutlich radikalere Transformation eines alten Stadthauses schlägt das junge Studio Rolf.fr zusammen mit Zecc Architecten vor: Die von außen samt der Fenster vollkommen geschwärzte, historische Backsteinfassade hat neue Öffnungen eingeschnitten bekommen, die auf ein neues Innenleben hinweisen: Das bis unter das Dach vollkommen entkernte Haus birgt in seiner alten Haut eine abstrakte, holzbeplankte Etagenskulptur mit offenen Treppenläufen, Lufträumen und Raumdurchsichten – ein Gewächshaus auf dem Dach birgt die Badewanne und einen unverstellten Ausblick über den Hafen.

Freistehende Einfamilienhäuser sind nicht gerade die Typologie, mit denen man Innenstädte bebaut, schon gar nicht in den Niederlanden, wo Platz schon immer Mangelware ist. Aber auch sie gibt es in Rotterdam, etwa im Villenbezirk des Laurensquartiers. Auch hier arbeiten die spannendsten aktuellen Projekte mit dem Bestand: Einem alten reetdachgedeckten Jahrhundertwendehaus, das bereits zweimal unspektakulär erweitert wurde, sollten Ooze Architecten einen dritten Anbau verschaffen, der den gesamten Bestand integriert und sich ebenso selbst behauptet. Sie entwickelten eine Lösung, die die maximal zulässige Kubatur auf dem Grundstück in eine expressive Bauskulptur übersetzt, die sich zwischen den erhaltenen Giebelfassaden entfalten darf. Fassaden und Dach sind mit gebeiztem Accoya-Holz verkleidet, gehen ineinander über. Die gesamte Innenstruktur wurde aus schnell montierbaren, auf ein dreieckiges Maß vorgefertigten Holzplatten zusammengesetzt. Grassoden, die die Außenhaut partiell bedecken, lassen den Bau besonders intensiv mit dem umliegenden Grün verschmelzen. Eine Architektur, die vor hundert Jahren mit dem Idiomen des Ländlichen spielte, scheint sich ihrer unvermeidlichen, zeitgenössischen Urbanität bewusst geworden zu sein. Auch das ist Rotterdam.

Architektur Red Apple Kees Christianse Architects&Planners (KCAP) Villa Ooze Ooze... mehr

Architektur

Red Apple
Kees Christianse Architects&Planners (KCAP)

Villa Ooze
Ooze architects

Parksite
Doepel Strijkers/ Lex Architects

De Rotterdam
OMA

'Een Blok Stad'
hp architecten

Markthal
MVRDV

Black Pearl – Rolf.fr zus. m. Zecc Architecten

Fotografie

Red Apple
Ossip van Duivenbode

Villa Ooze
Jeroen Musch

Parksite
Maarten Laupman

De Rotterdam
OMA

'Een Blok Stad'
Meindert Koelink

Markthal
MVRDV

Black Pearl
Frank Hanswijk

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