Marmor zwischen Feldsteinmauern
Wo sich Landwirtschaft und urbaner Stil ergänzen – ein wiederhergestellter Gutshof
Auf den ersten Blick wird man einem mit Sinn für Proportion und Materialität wiederhergestellten märkischen Hof gewahr, die Feldsteinmauern sorgfältig repariert und mit neuem Dach versehen; auf den zweiten Blick dann entdeckt man das neue, dezidiert zeitgenössische Element: Ein leichter, rundum verglaster Pavillon wurde zwischen die erdschweren Feldsteinmauern geschoben, als Bindeglied zwischen den übereck stehenden Scheunen – und zugleich zwischen der vorgefundenen rustikalen Substanz und den heutigen Wohnvorstellungen. Der alte Vierseithof in der Märkischen Schweiz hat sich verwandelt in eine bemerkenswerte Synthese aus märkischer Bautradition und intelligent ergänzten zeitgenössischen Elementen. Die Bauherren, ein in der Energieberatungsbranche tätiges Paar, hatten den Bauernhof ein paar Jahre zuvor als halbe Ruine entdeckt und beauftragten die Berliner Architektin Anne Lampen mit dem Umbau.
Die Bauherren wünschten sich ein Haus, in dem sie mit und in der Natur leben konnten – so erklärt die Architektin die Entscheidung, zwischen den steinernen Wänden einen vollständig verglasten Pavillon einzufügen. Seine raumhohen, von nur zwei Zentimeter breiten Profilen gehaltenen Glastüren lassen sich bei warmem Wetter vollständig zum Garten öffnen. Im Inneren des Pavillons gehen der Küchen- und Essbereich fließend ineinander über. Der Bauherr, der nicht nur gerne jagt, sondern auch gerne kocht, ließ sich hier eine Profi-Küche einbauen, mit der sich mühelos 15-20 Personen bewirten lassen. Damit wird das Zubereiten der Speisen ebenso zum Ereignis wie das anschliessende gemeinsame Mahl an der langen Marmortafel. Für diese an bürgerliche Tischgesellschaften erinnernde Möglichkeit, viele Gäste zu bewirten, fand die Architektin eine konsequent zeitgenössische und dennoch angenehm sinnliche Architektursprache: Die Tafel steht auf einem geschliffenen Fußboden aus anthrazitfarbenen Estrich; die orangeroten Rosteinschlüsse im Marmor korrespondieren mit orangefarbenen Kissen auf den „Tulpenstühlen“ Eero Saarinens; dieser Farbton wiederholt sich im eigens angefertigten Deckenteppich der Textildesignerin Sigrid Wylach.
Transparenz vermittelt nach dem Umbau nicht nur der neue Pavillon, auch die historischen Scheunen und Ställe öffnen sich mit großzügigen, durch Betonrahmen gefasste Einschnitte zur Umgebung. Zu Beginn eines Projektes achte sie sehr darauf, zu welchen Seiten des Grundstücks sich die schönsten Blicke ergeben, sagt Anne Lampen. Und weiter: „Erst durch Öffnungen und Durchblicke an den richtigen Stellen entsteht Harmonie im Raum“. Im Vergleich dazu wirkt das weiß verputzte, ehemalige Wohngebäude fast introvertiert; sorgfältig von entstellenden Umbauten befreit nutzen die Bauherren es heute als Gäste- und Seminarhaus.
Gar nicht so weit entfernt von der einstigen Nutzung scheint das heutige Hofleben: Die Eigentümer, er leidenschaftlicher Jäger, sie passionierte Reiterin – gelangen über einen separaten Jäger- bzw. Reitereingang in die Scheune. Im dortigen Zerwirkraum kann die Jagdbeute ausbluten und später zerlegt werden. Auch in den Funktionsbereichen blieb Anne Lampen ihrem Konzept treu, neu hinzugefügtes konsequent zeitgenössisch zu gestalten und respektvoll mit dem historischen Bestand zu verbinden.
www.anne-lampen.de