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Farben, Kontraste, Volumen

Ester Bruzkus – Meisterin der Innenarchitektur

Farben, Kontraste, Volumen
Ester Bruzkus
CUBE: Sie haben ein klassisches Architekturstudium an der TU Berlin absolviert, scheinen nun... mehr
CUBE: Sie haben ein klassisches Architekturstudium an der TU Berlin absolviert, scheinen nun aber ganz auf Interior Design umgesattelt zu haben – warum?

Ester Bruzkus: Ich würde es Innenarchitektur nennen. Mein Ansatz ist eher der einer Architektin. Wobei wir auch ganz viele Innenarchitekten haben, die bei uns arbeiten, und wir als Architekten können auch viel von denen lernen. Ich denke, der Hauptgrund war, dass ich mich gleich nach dem Studium selbstständig gemacht habe. Man hat mir eher Innenarchitektur zugetraut, als hohe Häuser zu bauen. Meine Schlüsselerfahrung war, als mein Bauherr zu mir gesagt hat: „Also, Frau Bruzkus, Sie werden doch nicht in Gummistiefeln über die Baustelle stapfen wollen.“ Am Anfang meiner Karriere wollte ich unbedingt Hochbau machen, aber inzwischen bin ich dermaßen in Innenarchitektur verliebt und habe das Gefühl, dass man da viel mehr kreieren und schaffen kann und dass es da auch eine Lücke in der Ausbildung gibt. Ich bin sehr dankbar für diesen Werdegang.

Was inspiriert Sie – oder spielt Intuition die entscheidende Rolle in Ihrer Arbeit?

Es ist Planung. Der Planungsprozess ist immer sehr intensiv. Es geht zunächst darum, was die Grundlage ist. Was sagt mir der Raum, was sagt der Kunde, was ist das Raumprogramm. Bevor wir entwerfen oder designen, ist es wirklich die Planung, die mich dann inspiriert. Aus der Planung heraus kommt der Entwurf. Aber die Inspiration kommt auch durch Reisen und vom Besuchen anderer Projekte. Ich bin gerade mit meinem Partner Peter Greenberg zwei Wochen durch Finnland gefahren. Wir haben uns alle Bauten von Alvar und Aino Aalto angeschaut. Das war großartig. Vor Corona waren wir in Indien und haben uns alles von Louis Kahn, Le Corbusier und Pierre Jeanneret angeschaut. Da kommt natürlich schon ganz viel Inspiration her. Aber auch aus Museen, dem Kino oder davon, wie sich die Wolken bewegen – alles inspirirert.

Mit Ihrer „Green Box“ haben Sie offensichtlich ins Schwarze getroffen. Das Projekt wird allseits hochgelobt. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Ich glaube, es war der Mut zur Farbe. Das ganze Projekt hat einfach Spaß gemacht, die Bauherren waren großartig, die haben mir vertraut und wir haben den Bauherrn vertraut. Das war ein gutes Zusammenarbeiten – und ich glaube, wenn Vertrauen da ist, dann kann auch etwas Großartiges daraus entstehen. Das spiegelt sich dann im Ergebnis und im Erfolg wider.

Haben sie Ihnen freie Hand gelassen?

Ich war überrascht, wie viel Freiheit sie uns gelassen haben. Sie haben uns, mir und meinem Team – ich mache es ja nicht alleine, sondern immer mit dem Team – gesagt, was sie gerne möchten. Das Briefing war, dass sie eigentlich keine Gästeräume brauchen, nicht viele Zimmer, sondern lieber einen großen, offenen Raum. Das haben wir im Grundriss erstmal entworfen und dann eingefügt. Sie wollten schöne Bäder haben und eine Sauna – so groß war die Fläche dann doch nicht.

Die Box stand schon am Anfang fest?

Die stand schon in der ersten Zeichnung. Der Grundriss hat ja zwei Beton- und zwei Glasseiten. Wir haben angefangen zu planen, bevor der Rohbau überhaupt stand. Aber man konnte im Entwurf schon sehen, dass es ein schönes Gefühl ist, wenn man reinkommmt und man vom Eingang direkt nach hinten durchsehen kann. Daraus entstand die Idee für die Box. Wir haben gesagt, okay, wir ziehen Küche, Bad und Stauraum in die Mitte, sodass man beim Reinkommen den Bezug zum anderen Ende der Wohnung auch weiterhin noch behält. Man hat überall Türen nach draußen auf die Terrasse, dazwischen sind Festverglasungen. Neben der Küche ist noch eine kleine Sauna, die man wie eine Ziehharmonika ausziehen kann, und man kann direkt ins Freie, um sich abzukühlen. Das Schlafzimmer ist relativ klein. Ich habe aus meiner Wohnung gelernt, dass ein Zimmer viel größer wirkt, wenn man raumhohe Fenster hat, weil die Terrasse quasi ein Teil des Zimmers ist. Dann sind hier Kleiderschränke und ein Büro. Wir haben also ein verstecktes Homeoffice. In dem Schrank ist die Waschmaschine und ein kleiner Abstellraum, ein Bad mit einer Badewanne und ein Bad mit Dusche.

War die Farbwahl Ihr Vorschlag oder der Wunsch der Bauherren?

Wir haben einen hellen Holzboden, den durften wir uns aussuchen, und dann haben wir gemeinsam entschieden, dass wir den Beton der Wände und der Decke beibehalten. Er ist kein Sichtbeton, sondern roh belassen. Dadurch war das Ganze relativ neutral: Glas, Holzboden, Beton. Also haben wir gesagt, diese Box in der Mitte muss eine Farbe bekommen. Es hätte Dunkelblau, Grau oder Rosa sein können. Aber irgendwie fanden wir Grün alle super und haben es den Bauherren vorgestellt und die fanden Grün sofort toll. Es war erstmal eine wagemutige Idee, ich hätte auch nicht gedacht, dass sie gleich Ja sagen würden.

Eine sehr dominante Farbe.

Ja, aber das Grün ist nur in der Mitte, alles andere ist nicht grün – außer den Pflanzen natürlich. Aber dadurch ist die Wohnung nicht grün. Das Öffnungsbild, das man meistens sieht, ist der Blick Richtung Kamin, der mit Messing verkleidet ist. Unten drunter ist ein Edelstahlregal für das Holz und darauf ein beiger und ein rosa Travertin.

Was ich auch wunderbar fand, ist die Verkleidung der Küchenzeile mit Naturstein.

Genau, die Rückwand ist nur bei der Küchenzeile. Und der Tisch, der aus dem Küchenblock rauskommt, ist aus schwarzem Glas als Kontrast. Leider hat die Baustelle mit Corona angefangen und dann gab es plötzlich keine Materialien mehr. Aber wir fuhren gleich zu Steinzeit und haben uns Steine ausgesucht und das hat dann doch noch gut geklappt. Man sieht schon, dass das alles sehr architektonisch ist. Es ergab sich aus der Planung, alles in die Box zu integrieren, um den Raum drumherum für die Bewohner freizulassen.

Sie haben es schon erwähnt: Sie arbeiten nicht allein, sondern im Team. Geben Sie bestimmte Impulse vor?

Eher Jein. Man erkennt meine Sprache schon. In den letzten 20 Jahren hat sich da schon eine Sprache daraus ergeben. Aber es ist immer eine ganz, ganz enge Zusammenarbeit, vor allem mit meinem Partner Peter Greenberg. Aber auch jede einzelne Person in unserem Team ist so talentiert, dass ich gerne von ihnen lerne.

Wie viele Leute sind in Ihrem Team?

Das wechselt immer – wir sind so zwischen 12 und 15.

Wie haben Sie Ihren Partner gefunden?

Ich habe hier in Berlin an einer Sommerakademie unterrichtet. Und er war der amerikanische Professor, der hierher zum Unterrichten gekommen ist. Er ist eigentlich aus Boston, war in Yale und Harvard, hat in Boston unterrichtet. Er hat lange als Architekt gearbeitet und hat dann Innenarchitektur unterrichtet. Als wir uns kennengelernt haben, hat er sich entschieden, seine Lehrstelle aufzugeben und nach Berlin zu ziehen. Wir sind gleichberechtigte Partner.

Für die „Green Box“ haben Sie den „Best of Interior“-Award 2021 bekommen. Schon zum zweiten Mal: 2018 ging er auch an Sie – für welches Projekt damals?

Für meine Wohnung, dem Apartment 2.0. Da ist die dominierende Farbe eigentlich Grau, würde ich fast sagen. Das Sofa ist rosarot, das haben ich extra dafür entworfen. Die Wand ist hellgrün – Le Corbusier hellgrün. Es gibt auch eine Holzbox mit Küche und Bad. Vom Balkon aus kommt man auf eine Terrasse, die nochmal so groß ist. Genial! Hier ist eigentlich die dominierende Farbe Grau, also wir haben einen Betonboden und eine Betondecke – und dann eben diese Holzbox. Aber die ganzen Möbel sind innen drin farbig. Meine Bibliothek ist blau, der Essbereich ist grün und als Pendant ist der Esstisch ebenfalls grün. Die Garderobe ist gelb und rosa, innen ist sie aus Eiche und als Pendant dazu ist das Sofa auch in diesem Rosa. Ich wohne da mit meinem Partner Peter.

Man erkennt eine Sprache, aber ich könnte sie nicht charakterisieren …

Es ist immer der Einsatz von Materialien als ganzes Objekt, also nicht nur an einer Wand oder so, sondern immer in Blöcken. Es ist immer die Kommunikation zwischen den Objekten. Die Küchenbox kommuniziert mit der grauen Bibliotheksbox. Die Küche selbst kommuniziert mit dem Sofa. Es geht immer um Volumen – das Spiel von Volumen im Raum. Und dann geht es eben immer darum, perfekte Kanten zu haben. Ich habe einen Terrazzo-Waschtisch selbst entworfen, da sieht man einfach die Liebe zum Detail. Das ist alles aus der gleichen Materialität. Das haben wir z. B. auch im „Remi“ gemacht, dem Restaurant, das hier im Suhrkamp-Gebäude von Roger Bundschuh ist.

Sie arbeiten für internationale Auftraggeber. Wie funktioniert die Akquise?

Die Auftraggeber kommen auf mich zu. Wir machen eigentlich keine Akquise, weil wir dazu nicht die Kapazitäten haben. Wir haben gerade einen großen Wettbewerb gewonnen – ein wunderbares Hotel – mit einem tollen Architekten. Aber darüber kann ich noch nicht sprechen, leider.

Schade. Oft zitiert wird Ihr Satz – sinngemäß – man sollte das Gegenteil von dem machen, was erwartet wird?

Ja, immer. Wir haben jetzt auch ein Projekt in der Kastanienallee gemacht, das heißt „The Castle“. Die Bauherrin ist aus New York. In Amerika lieben es alle besonders fluffy und cozy. Aber ich glaube, dass das Gemütliche durch die losen Möbel kommt. Sofas, Stühle, Teppiche und Vorhänge. Das ist immer wie die Zuckerglasierung bei einer Torte.

Plüsch nicht ausgeschlossen …

Nein, wir stehen immer für Kontraste. Das gilt auch für die Villa Kellermann und das Remi-Restaurant, die haben wir gleichzeitig entworfen und die könnten vom Aussehen her nicht unterschiedlicher sein. Der Designansatz, die Designsprache, die Ideologie dahinter, ist die gleiche.

Sie lassen einzelne Teile auch anfertigen?

Nein, also wir entwerfen keine Stühle und keine Lampen, aber Sessel und Sofas, die ganzen Sitzmöbel, Sitzbänke in der Villa Kellermann haben wir entworfen. Das Sofa bei mir zu Hause, das machen wir alles selbst.

Wie halten Sie’s mit der Farbe – Ton in Ton, grell oder pastell, Muster- und Farbenmix?

Alles – Kontraste. Ich glaube, zum Schluss kommt es eben immer auf das Unerwartete an und auf den Kontrast. Wenn alles zu harmonisch ist, ist es zu langweilig und wenn alles zu bunt ist, ist es zu laut. Es geht immer um die perfekten Kontraste – dick und dünn, laut und leise, weich und hart – also alles, was mit Kontrasten zu tun hat, und trotzdem in perfekter Harmonie.

Irgendwo habe ich gelesen, Sie haben das Bauen doch nicht ganz aufgegeben?

Also wenn jemand auf uns zukommt und sagt: „Bau uns bitte ein Haus“, dann sind wir da auch nicht dagegen. Zur Zeit machen wir eine große Villa von 1913 im Grunewald, das sind 1.500 m² Wohnfläche. Da wird auch gebaut. Es gibt dort neue Fenster und es wird viel abgerissen – also eigentlich wird bei uns immer gebaut. Es ist immer die Frage, was Bauen bedeutet.

Frau Bruzkus, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Christina Haberlik.

Ester Bruzkus leitet ein internationales Architektur- und Innenarchitekturbüro in Berlin, das ein Portfolio von stilvollen und preisgekrönten Projekten aufgebaut hat. Aufgewachsen in Berlin, studierte sie Architektur an der TU Berlin und später an der School of Architecture in Belleville, Paris. Bevor sie 2002 ihr eigenes Berliner Büro gründete, arbeitete sie für Massimiliano Fuksas in Paris und Zvi Hecker in Tel Aviv. Bruzkus’ bahnbrechendes Projekt waren die Innenräume des Amano-Hotels im ehemaligen Ost-Berlin, dazu kamen 15 Hotels für die Marke Azimut in Russland sowie viele exquisite und preisgekrönte private Wohnprojekte. Ihre beiden eigenen Wohnungen wurden vielfach publiziert und mit Preisen ausgezeichnet. Neben sechs Restaurants und Bars für den Michelin-Koch Tim Raue hat das Büro das L.A. Poke und zwei Restaurants für die niederländischen Köche Lode & Stijn gebaut, darunter Remi, das 2020 eröffnet wurde. Seit 2016 arbeitet sie mit Partner Peter Greenberg zusammen. Ester Bruzkus wurde von Architectural Digest zu einem der „Top 200 Influencers in the Design World“ ernannt.

(Erschienen in CUBE Berlin 04|21)

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